Informationsanforderungen bei der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts nach der Charta der Vereinten Nationen
Forschungsprojekt von Prof. Dr. Wolf, Universität Bochum
September 2002 – Dezember 2005
Forschungsprojekt von Prof. Dr. Wolf, Universität Bochum
September 2002 – Dezember 2005
Kriege gegen grenzüberschreitenden Terrorismus hat es in der Staatenpraxis schon vereinzelt gegeben. Sie wurden – wie im Fall des Libanon-Feldzugs Israels 1982 – gegen als Terrorgruppen bezeichnete PLO-Einheiten im Südlibanon geführt, die ihrerseits militärisch ausgerüstet waren, den offenen bewaffneten Kampf annahmen und in der Errichtung eines eigenen Palästinenserstaats ein klassisches territoriales Kriegsziel verfolgten. Mit ihren Militäreinsätzen zunächst gegen Afghanistan und danach womöglich gegen andere „Sponsorstaaten“ des Terrorismus in der Welt bekämpfen die USA und die NATO seit dem 7. Oktober 2001 eine andere Art des internationalen Terrorismus.
Die neuen islamistischen und andere Terrornetzwerke arbeiten verdeckt, mit dem Ziel möglichst vieler Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von „Feindstaaten“ (USA, verbündete Staaten, Israel), ohne kriegsmäßig verfolgbare Ziele und außerhalb militärisch organisierter Gewalt. Im Schrifttum und in den Medien wird mit Bezug auf die Angriffe vom 11. September von einer „Privatisierung“ des Krieges gesprochen. In dieser Formel kommt nicht zuletzt auch eine zunehmende Überschneidung von Straftaten nach nationalem und internationalem Recht mit nationalen und internationalen bewaffneten Konflikten zum Ausdruck. Während zwischenstaatliche bewaffnete Konflikte schon wegen der Effektivität ihrer politischen Zielsetzung letztlich offen ausgetragen werden müssen, operieren Straftäter bei der Gewaltausübung verdeckt. Kommt es zu Überformungen beider Bereiche, so entstehen auf der Ebene des Völkerrechts neue Phänomene: weltweit operierende kriminelle Netzwerke als potentielle Angreifer und unklare Allianzen zwischen Terrorgruppen und Staaten oder quasi-staatlichen Régimen.
Die Beantwortung der Frage gegen wen militärische Maßnahmen durch den angegriffenen Staat gerichtet werden können ist zur Zeit eines Angriffs von den verfügbaren oder erlangbaren Informationen über den Angriff und seine Hintergründe abhängig, während die Frage ihrer politisch-rechtlichen Begründung für wesentlich davon abhängt, ob und in welcher Weise die vorhandenen Informationen der Öffentlichkeit, anderen Staaten und dem Sicherheitsrat zugänglich gemacht werden oder weitergegeben werden können. Für die Begründung der Ausübung des Selbstverteidigungsrechtes durch die von Terrorangriffen betroffenen Staaten und den damit verbunden Maßnahmen der kollektiven Sicherheit nach Kapitel VII der VN-Charta entstehen in solchen Fällen somit spezifische „Informationsprobleme“, die für die völkerrechtliche Beurteilung und politische Einordnung sowohl der Angriffe als auch der Reaktionen darauf von Bedeutung sind.
Das auf zwei Jahre angelegte, vom wissenschaftlichen Personal des Instituts für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum getragene und unter Leitung des interdisziplinär besetzten Institutsdirektoriums durchzuführende Projekt verfolgt das Ziel, unter Berücksichtung der aktuellen Entwicklungen einen theoretisch fundierten und praktisch verwertbarer Beitrag zum Verständnis des Selbstverteidigungsrechts der Staaten nach der VN-Charta zu leisten und festzustellen, ob ein bisheriges Tatsachen- und Informationsniveau auf völkerrechtlicher Ebene modifiziert, pauschaliert, herabgesetzt und auf sonstige Weise angepasst worden ist oder angepasst werden kann, ohne die Funktionsfähigkeit völkerrechtlicher Institutionen der Friedenswahrung und der internationalen Sicherheit auszuhöhlen und möglicherweise außer Kraft zu setzen. Dazu werden im Rahmen des Projekts schwerpunktmäßig drei bisher im Schrifttum nur ansatzweise untersuchte Fragen behandelt:
Die Arbeit an diesen Projektfragen ist nicht monodisziplinär ausgerichtet. Es müssen vielmehr diejenigen Quellen und Methoden herangezogen werden, die für die Bearbeitung des Problems der Informationsanforderungen bei der Bewältigung internationaler bewaffneter Konflikte hilfreich sind. Die Bearbeitung der völkerrechtlichen Fragestellungen ist deshalb eingebettet in vier problemorientierte Tagungen, die eine konsekutive Arbeit an den völkerrechtlichen Fragestellungen aufbauend auf den Ergebnissen der Tagungen gewährleisten. Drei Tagungen sind nach dem jetzigen Planungsstand den folgenden Problemen gewidmet:
Eine Abschlusstagung ist der Vorstellung der vorläufigen Projektergebnisse und ihrer interdisziplinären Reflexion gewidmet. Der Schlussbericht des Projektes soll die Ergebnisse der Tagung reflektieren.
Während der Laufzeit des Projektes wird durch die Publikation der Forschungsfragen, Forschungsschritten, Einzelberichten von Mitarbeitern, Konferenzpapieren und Thesen auf einer speziellen interaktiv gestalteten WEB-Präsenz eine breite Beteiligung der interessierten Wissenschaftler aller relevanten Disziplinen und der Praxis ermöglicht, die vor allem die entscheidenden Weichenstellungen für die Formulierung der Projektergebnisse deutlich machen soll. Die langjährigen Erfahrungen des IFHV mit e-learning Systemen bei der Ausbildung in europäischen Studiengängen werden dabei nutzbar gemacht.
Das angestrebte Forschungsdesign führt in Anlage und Durchführung über eine auf das Völkerrecht beschränkte Analyse hinaus und ermöglicht eine Beteiligung anderer Disziplinen und spezieller Expertise an der Forschungsarbeit. Die Beiträge werden laufend in den Forschungsprozess integriert. Die Ergebnisse des Projektes werden wegen ihrer Bedeutung für die Friedenssicherung sowohl für die Wissenschaft als auch für die Politik und insbesondere für die Streitkräfte von Bedeutung sein.
Der Arbeitsplan berücksichtigt sowohl die Beteiligung des wissenschaftlichen Personals des Instituts als auch die Ergebnisse der geplanten Tagungen sowie die Interaktion mit den sich beteiligenden externen Wissenschaftlern. Das Budget trägt sowohl dem Eigenanteil des IFHV als auch der Einbeziehung spezieller Expertise Rechnung.
The Information Requirements for the Exercise of the Right to Self Defence in International Law
Members of the institute, specialists from the OPCW, ICTY, and EUROPOL, academics, technical experts, diplomats & UN Personnel
Themes and Key issues:
I. The right of self defence by states in response to an armed attack: Has the response to terrorist attacks by states changed the notion of armed attack ?
How can terrorist attacks be attributed to states ?
How can covert attacks be characterised as aggression by another state ?
How can covert attacks be characterised as aggression ?
In the absence of an explicit link between terrorist acts and a state, what criteria should be employed in order to justify the use of force against that state ?
How does the jurisprudence of the International Court of Justice in the Corfu Channel Case, the Teheran Hostages Case, and the Lockerbie Case assist to resolve these issues in the context of international counter-terrorism ?
How much can the actions of non-state actors be attributed to states ?
What level of control must be shown by a foreign power over loosely-knit terrorist cells in order to attribute responsibility for terrorist acts ?
How can the acts of terrorist groups abroad be attributed to the leadership of terrorist cells located in another country ?
Does the distinction between war and peace disappear when the activities of global terrorist networks are characterised as armed attacks ?
II. The exercise of self defence and collective security: Have the responses to September 11 and Iraq led to a modification of the cooperation between the Security Council and the state or group of states exercising self defence ?
What information is required from a state when it reports to the Security Council in accordance with Article 51 S.2 ?
III. The impact on international institutions responsible for securing peace: Can the UN collective security regime respond to acts of violence committed by terrorist groups ? Should a form of cooperative Risk Management be used in the future ?
The new forms of linking national self-defence and collective security