Instrumente zur Durchsetzung von humanitärem Völkerrecht in afrikanischen Konflikten der Gegenwart
Prof. Dr. Heike Krieger, FU Berlin
Internationale wissenschaftliche Tagung
15. – 17. September 2011
Prof. Dr. Heike Krieger, FU Berlin
Internationale wissenschaftliche Tagung
15. – 17. September 2011
Die zwei Dekaden nach dem Ende des Kalten Krieges sind von einem Paradox gekennzeichnet. Die Auflösung der Blockierung des UN-Sicherheitsrates führte zu einer Vielzahl von Durchsetzungsinitiativen, wie beispielsweise den ad-hoc-Straftribunalen und zu einer größeren Anzahl an robusten UN-Friedensmissionen. Dennoch erodierte das humanitäre Völkerrecht in dieser Zeitspanne. Obwohl sich mittlerweile kleine Erfolge bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts konstatieren lassen, gibt es weiterhin massive Rechtsverletzungen, insbesondere in Afrika.
Vor diesem Hintergrund sollen auf der Konferenz rechtliche und politische Mechanismen untersucht werden, die auf eine bessere Durchsetzung des humanitären Völkerrechts zielen. Der Fokus liegt dabei auf der Region der Großen Seen in Afrika, insbesondere der Demokratischen Republik Kongo. Besonders eine interdisziplinäre Verknüpfung politikwissenschaftlicher, juristischer und rechtspraktischer Analyse der einschlägigen Instrumente soll der Ermittlung rechtlicher und politischer Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts dienen.
Die Tagung untergliedert sich in drei Hauptteile, welche aufeinander aufbauen. Dabei werden zunächst die Grundlagen und Bedingungen für die Beachtung des Rechts diskutiert. Sodann wendet sich die Konferenz den Mechanismen strafrechtlicher Verfolgung einerseits und der Rolle der internationalen Gemeinschaft andererseits bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts zu. Als Hauptergebnis der Konferenz wird ein kontextabhängiger Ansatz zur Durchsetzung des humanitären Völkerrechts erwartet, wie ihn das IKRK bereits postulierte. Die Konferenz soll so zur Klärung beitragen, welche rechtlichen Instrumentarien und welche Organisationen mit welchen Mitteln auf bestimmte bewaffnete Gruppen oder staatliche Akteure reagieren sollten.
Die Konferenz basierte auf der weit geteilten Beobachtung, dass in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten der Gegenwart – insbesondere in der Region der Großen Seen – das humanitäre Völkerrecht oft massiv verletzt wird. Um diesem Problem abzuhelfen, kann humanitäres Völkerrecht auf verschiedenen Ebenen von verschiedenen Akteuren durchgesetzt werden: (1) auf der innerstaatlichen Ebene, (2) durch die internationale Gemeinschaft und (3) durch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen.
Im Grunde herrschte auf der Konferenz Einigkeit darüber, dass humanitäres Völkerrecht am besten auf der nationalen Ebene durchgesetzt werden sollte. UNO-Friedensmissionen sind nur temporär geplant und die nationale Armee sollte in der Lage sein, die Zivilbevölkerung zu schützen. Nationale Strafprozesse vor Ort können eher general-präventive Wirkung gegenüber der Bevölkerung des Staates entfalten als internationale. Allerdings ist der Staat, auf dessen Territorium ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt ausgetragen wird, per definitionem nicht in der Lage sein Gewaltmonopol durchzusetzen. Wie am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo auf der Konferenz erläutert wurde, ist die nationale Justiz oft nicht unabhängig und unterfinanziert. Hinzu kommt häufig eine nationale Armee, die ineffektiv ist und/oder selbst das humanitäre Völkerrecht nicht achtet. Die Machthaber haben oft kein Interesse daran, das zu ändern.
Daher wurde diskutiert, ob und inwiefern internationale Akteure in der Lage sind, humanitäres Völkerrecht durchzusetzen. Internationale Akteure können entweder durch Friedensmissionen direkt in den Konflikt eingreifen oder mittelbar auf Individuen, bewaffnete Gruppen oder Staaten einwirken, so dass diese selbst das humanitäre Völkerrecht durchsetzen. Internationale Akteure sind oft besser ausgestattet als nationale Institutionen, können aber
auch nicht flächendeckend die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts sicherstellen. Das gilt insbesondere für internationale Strafgerichte, die zwar einen hohen Standard an Verfahrensgarantien bieten, aber aufgrund begrenzter Ressourcen nur die Haupttäter anklagen können.
Wenn bewaffnete Gruppen willens sind, können sie am Ehesten gegenüber ihren Mitgliedern humanitäres Völkerrecht durchsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass Normen für bewaffnete Gruppen realistisch sind und verständlich in ihren internen Kodizes aufgeführt werden. Gleichwohl mangelt es insbesondere bei Gerichten von bewaffneten Gruppen an Legitimität und sie stehen in einem Spannungsverhältnis zu staatlichen Gerichten. Trotz solcher Spannungsverhältnisse zwischen den Durchsetzungsmaßnahmen der verschiedenen Akteursgruppen sollte die Durchsetzung auf allen drei Ebenen weiter verbessert werden. Jedoch sollte dabei nicht das Ziel aus dem Auge verloren werden, die Konfliktparteien davon zu überzeugen und/oder in die Lage zu versetzen, selbst das humanitäre Völkerrecht durchzusetzen.