Publikationen
Digol, Diana (2012): Mind the Neighbours! Central Asian Interests and Visions of Afghanistan. In: Hans-Georg Ehrhart/Sven Bernhard Gareis/Charles Pentland (eds), Afghanistan in the Balance. Counterinsurgency, Comprehensive Approach, and Political Order. Montreal (McGill-Queen’s University Press), 171-185. Zur Publikation.
Zusammenfassung
Dieses Projekt befasst sich mit der noch wenig erforschten Thematik der Afghanistanpolitik der fünf zentralasiatischen (ZA) Staaten. Obwohl bekannt ist, dass die zentralasiatischen Staaten äußerst besorgt sind über die Lage in Afghanistan und deren Auswirkungen auf ihre eigenen Länder, gibt es bis jetzt kaum, wenn überhaupt, Untersuchungen darüber, ob die ZA-Staaten durch eigene Initiativen bewusst versuchen, zur Stabilisierung Afghanistans beizutragen, um so ein Übergreifen des Konflikts auf ihre eigenen Länder zu verhindern. Eine Untersuchung dieser Aspekte ist notwendig, um eine Strategie zur Stabilisierung Afghanistans nach dem bevorstehenden Abzug der Koalitionstruppen zu entwickeln. Mehr Kenntnisse über die Afghanistanpolitiken der zentralasiatischen Staaten tragen auch dazu bei, die Dynamiken der noch getrennten Konfliktpotentiale in Afghanistan und Zentralasien besser zu verstehen, deren Verbindung und gemeinsame Eskalation zu einem großen Gewaltkonflikt – hinsichtlich Fläche und Bevölkerung weitaus größer als der auf dem Balkan – führen würde. Solch eine Entwicklung würde für einige Länder, dazu zählen die USA, Westeuropa, Russland und China, negative Konsequenzen mit sich bringen.
Die Literatur über den derzeitigen Krieg in Afghanistan füllt ganze Bibliotheken. Meist handelt sie von den Erfolgsaussichten der westlichen Koalition, der militärischen Strategie der Koalitionstruppen und der Position der USA, der EU und einiger anderer Länder. Die Publikationen zur Rolle Zentralasiens beschäftigen sich hauptsächlich mit der Frage, inwieweit es die Bemühungen der westlichen Allianz unterstützt. Dies bezieht sich auf die politische Unterstützung und – wichtiger noch – auf die Bereitstellung von Stützpunkten und Überflugsrechten für die USA und die Koalitionstruppen sowie die logistische Unterstützung. Die zentralasiatischen Staaten werden jedoch nicht als eigenständige Akteure wahrgenommen.
Eine umfassende Studie über die Beziehungen zwischen Afghanistan und Zentralasien sollte daher folgende Aspekte untersuchen: (a) die Politik, die die fünf zentralasiatischen Staaten in Bezug auf Afghanistan verfolgen, (b) die Auswirkungen, die die diversen Handlungen Afghanistans auf die zentralasiatischen Staaten haben und schließlich (c), die Auswirkungen politischer Maßnahmen externer Akteure auf Afghanistan und die zentralasiatischen Staaten.
Jedoch ist ein derartiges Forschungsdesign für die beantragte fünfmonatige Pilotstudie zu komplex, so dass wir uns ausschließlich auf die Politik der fünf ZA-Staaten konzentrieren, insbesondere auf folgende Aspekte:
- Welche Politik verfolgen die ZA-Staaten in Hinblick auf Afghanistan?
- Verfolgen die zentralasiatischen Staaten einen bilateralen oder multilateralen Ansatz und falls bilateral, haben sich die betroffenen Staaten zumindest mit anderen ZA-Staaten und/oder dem Westen oder anderen Partnern beraten?
- Wurden bestehende Organisationen, in denen die meisten der ZA-Staaten Mitglied sind, wie zum Beispiel die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), zur Beratung oder Formulierung gemeinsamer politischer Maßnahmen herangezogen?
- Welche Bedrohungsvorstellung und Interessen stehen hinter den Afghanistanpolitiken der ZA-Staaten?
- Inwiefern tragen die ZA-Staaten mit Hilfe ziviler Mittel gezielt zur Stabilisierung der Situation in Afghanistan bei, um ein Übergreifen des Konflikts auf ihr eigenes Land zu verhindern?
Die vorhandenen Dokumente und die verfügbare wissenschaftliche Literatur reichen nicht aus, um diese Fragen zu beantworten. Daher ist eine umfangreiche Feldforschung entscheidend für die erfolgreiche Durchführung des Pilotprojekts.
Die Hauptaufgabe nach dem bevorstehenden Rückzug der Koalitionstruppen aus Afghanistan wird sein, eine Strategie auszuarbeiten, um den 30-jährigen Bürgerkrieg in Afghanistan mit zivilen Mittel zu beenden und somit die gesamte Region zu stabilisieren. Eine wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg ist die aktive Einbeziehung der Nachbarstaaten Afghanistans, darunter auch der zentralasiatischen Staaten. Somit ist unser Forschungsvorhaben für die Entwicklung einer realisierbaren Friedensstrategie für Afghanistan von hoher Relevanz. Zudem ist unserer Vorhaben wegweisend, denn bislang gibt es – nach unserem Kenntnisstand – keine Untersuchungen über die Bemühungen der zentralasiatischen Staaten, den Stabilisierungsprozess in Afghanistan mit Hilfe ziviler Maßnahmen bewusst zu unterstützen.