Zusammenfassung
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine markiert eine Zäsur in der europäischen Geschichte: Er beendet eine lange Phase relativer Stabilität und wirft den Kontinent in einen seiner größten Konflikte seit Jahrzehnten. Angesichts der plötzlichen militärischen Bedrohung rücken Sicherheit und Verteidigung an die Spitze der politischen Agenda, und zahlreiche europäische Staaten priorisieren ihre Verteidigungsausgaben gegenüber anderen Staatsausgaben. Dieses Projekt widmet sich einer Fragestellung, die bislang kaum adressiert wurde: Welchen Wert misst eine Gesellschaft erhöhten Aufwendungen für Verteidigung als einer Option der Sicherheitspolitik bei? Ziel des Vorhabens ist eine Präferenzerhebung, um zu bestimmen, in welchem Umfang die Bevölkerung bereit ist, neue und zusätzliche Maßnahmen zur Steigerung von Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft zu finanzieren. Um der europäischen Dimension der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zeitenwende Rechnung zu tragen, wird die Frage für die Länder des Weimarer Dreiecks—Deutschland, Frankreich und Polen—untersucht. In allen drei Ländern ist die Thematik aktuell. Sie teilen als zentrale Ost-West-Achse der Europäischen Union die Nähe zum Ukrainekrieg, unterscheiden sich jedoch durch den geografischen Gradienten zum Konflikt in der Ukraine und mithin ihrer gesellschaftlichen und verteidigungspolitischen Reaktion.
Das Forschungsdesign basiert auf repräsentativ durchgeführten Umfrageexperimenten in den drei Ländern und zielt darauf ab, ökonomische Präferenzen sowie die Zahlungsbereitschaft für verschiedene verteidigungs- und sicherheitspolitische Maßnahmen zu ermitteln und zu vergleichen. Zur Methodik gehören Discrete Choice Experimente und Best-Worst-Scalings, die jeweils dazu dienen, detaillierte Präferenzstrukturen zu identifizieren. Ergänzend dazu wird die Erhebung sicherheitspolitischer Einstellungen vorgenommen, unterstützt durch den Einsatz experimenteller Informationstreatments, um das Design zu vervollständigen.
Im Ergebnis setzt sich das Projekt sowohl mit den Auswirkungen des Krieges als auch mit den gesellschaftlichen Vorstellungen bezüglich der künftigen europäischen Sicherheitsordnung auseinander, welche Diskussionsgegenstand der aktuellen Friedens- und Konfliktforschung sowie der Geoökonomik sind. Die in der Studie gewonnenen Erkenntnisse über die Akzeptanz verteidigungs- und sicherheitspolitischer Maßnahmen sowie die individuellen und aggregierten Zahlungsbereitschaften unterschiedlicher sozioökonomischer Gruppen und entlang des politischen Spektrums in jedem Land tragen zur Bereicherung des öffentlichen Diskurses in den Ländern des Weimarer Dreiecks bei. Darüber hinaus bieten sie für politisch Verantwortliche fundierte Entscheidungshilfen, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung dieser Zahlungsbereitschaften für die verteidigungspolitische Integration Europas.
Abstract
The Russian war of aggression against Ukraine marks a turning point in European history: it ends a long period of relative stability and throws the continent into one of its biggest conflicts in decades. In view of the sudden military threat, security and defense are moving to the top of the political agenda, and many European states are prioritizing their defense spending over other government spending. This project is dedicated to a question that has hardly been addressed to date: What value does a society attach to increased spending on defense as a security policy option? The aim of the project is to conduct a preference survey in order to determine the extent to which the population is prepared to finance new and additional measures to increase security and defense readiness. In order to take account of the European dimension of the turning point in security and defense policy, the question is examined for the countries of the Weimar Triangle – Germany, France and Poland. The topic is relevant in all three countries. As the central East-West axis of the European Union, they share a proximity to the Ukraine war, but differ in their geographical gradient to the conflict in Ukraine and thus in their social and defense policy response.
The research design is based on representative survey experiments in the three countries and aims to determine and compare economic preferences and willingness to pay for various defense and security policy measures. The methodology includes discrete choice experiments and best-worst scalings, each of which serves to identify detailed preference structures. In addition, security policy attitudes are surveyed, supported by the use of experimental information treatments to complete the design.
As a result, the project deals with both the effects of war and societal perceptions regarding the future European security order, which are the subject of discussion in current peace and conflict research and geo-economics. The insights gained in the study on the acceptance of defense and security policy measures as well as the individual and aggregated willingness to pay of different socio-economic groups and along the political spectrum in each country contribute to enriching the public discourse in the countries of the Weimar Triangle. In addition, they provide political decision-makers with well-founded decision-making aids, particularly with regard to the significance of these willingness-to-pay for European defense policy integration.