Im Gespräch
Interview mit dem DSF-Vorstandsvorsitzenden

Prof. Dr. Ulrich Schneckener, Zentrum für Demokratie- und Friedensforschung (ZeDF) der Universität Osnabrück, ist seit 2016 der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Stiftung Friedensforschung. Das Interview wurde mit Katharina Scheerschmidt, Mitarbeiterin in der DSF-Kommunikation, geführt.

Scheerschmidt (KS): Herr Schneckener, Sie sind seit mehr als vier Jahren ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender der DSF tätig. Was macht den besonderen Reiz dieser Aufgabe aus?

Schneckener (US): Zunächst einmal macht mir die Arbeit mit dem Vorstandsteam viel Freude, denn damit verbindet sich eine spannende Gestaltungsaufgabe. Zweitens kann ich mich in dieser Position für die Gemeinschaft der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit Fragen der Friedens- und Konfliktforschung beschäftigen, einsetzen. Ohne deren Engagement und Forschungsideen wäre die DSF schlicht eine leere Hülle. Und drittens verstehe ich meine Funktion auch als Mittler zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, das heißt die Erkenntnisse aus der von uns geförderten Forschung in die breitere Öffentlichkeit und in den politischen Betrieb zu tragen. Unsere Parlamentarischen Abende in Berlin sind dafür ein wichtiges Instrument.

Der Stiftungsvorstand besteht in dieser Form erst seit der Satzungsreform im Jahr 2016. Welche Bilanz würden Sie für die Zeit ihrer Vorstandstätigkeit ziehen?

Die DSF befindet sich seither in einem Wandel: Wir haben als neues Format eine thematische Förderlinie – zunächst zur Rolle von „Neuen Technologien” für Frieden und Sicherheit – auf den Weg gebracht. Das wollen wir auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Unsere Außenkommunikation wurde, vor allem mit einem Relaunch der Homepage und des neuen Newsletters „Notizblog“, deutlich verbessert. Wir haben den Wissenstransfer in der Förderung und auch in unseren eigenen Aktivitäten stärker in den Fokus gerückt. Wir gehen 2021 mit einem runderneuerten Förderkonzept an den Start, das den Antragsteller*innen bessere Konditionen für ihre Projekte verspricht. Und nicht zu vergessen: Die Stiftung wurde erstmals in einem aufwändigen Verfahren durch den Wissenschaftsrat evaluiert.

Eine Evaluation durch den Wissenschaftsrat gehört nicht gerade zum Alltagsgeschäft eines Stiftungsvorsitzenden. Wie bewerten Sie die Ergebnisse und was folgt daraus für die DSF?

Die Evaluation war zweifellos die wichtigste Aufgabe in meiner bisherigen Amtszeit. Das Ergebnis war für uns überaus erfreulich, weil der Wissenschaftsrat die wichtige Rolle der DSF für die Friedens- und Konfliktforschung positiv würdigte und unser Selbstverständnis als Impulsgeberin für die Forschung stärkte. Gleichzeitig unterstützte uns der Wissenschaftsrat gegenüber den politischen Entscheidungsträgern*innen in dem Bemühen, die Ressourcenausstattung der Stiftung zu verbessern. So gelang es kurzfristig die jährliche Förderung zu erhöhen, mittelfristig geht es um die schrittweise Aufstockung des Stiftungskapitals. Wichtig ist auch, dass der Wissenschaftsrat das etablierte Stiftungsmodell sehr positiv bewertet hat, weil dies ein hohes Maß an Unabhängigkeit gewährleistet.

Die DSF hat an der dynamischen Entwicklung der Friedens- und Konfliktforschung in den letzten zwei Jahrzehnten einen erheblichen Anteil gehabt. Wo bestehen aus Ihrer Sicht die zentralen inhaltlichen und strukturellen Herausforderungen für die Forschungsförderung der DSF?

Zunächst einmal: Wir freuen uns sehr über das wachsende Interesse an unserer Arbeit! Stellenwert und Anerkennung der Friedens- und Konfliktforschung sind zweifellos gestiegen, damit verbinden sich aber auch unterschiedliche Erwartungen und Ansprüche. Die größte Herausforderung besteht darin, den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden, die an die DSF – eine vergleichsweise kleine Stiftung – herangetragen werden. Es werden gute Förderangebote, ausreichend Fördergelder und Sichtbarkeit beim Wissenstransfer erwartet. Die DSF steht also für ein breites Angebot an verschiedenen Leistungen – auch neben der Forschungsförderung. Dazu müssen wir stetig unsere Formate überprüfen und neu justieren. Die Kombination aus „offener” und thematischer Förderung wird uns hier helfen, nicht zuletzt auf aktuelle Entwicklungen besser reagieren zu können.  Strukturell muss es uns vor allem darum gehen, jungen Wissenschaftler*innen Förderangebote zu machen, um sie in ihren Karriereperspektiven zu unterstützen und für das Feld der Friedens- und Konfliktforschung zu gewinnen. Die internationale Zusammenarbeit wie auch fächerübergreifende Kooperation müssen wir mit geeigneten Formaten ebenso vorantreiben. Die DSF adressiert ein breites Feld an Fachdisziplinen – von den Sozial- und Geisteswissenschaften über die Rechtswissenschaft und die Psychologie bis hin zu der technik- und naturwissenschaftlichen Friedensforschung. Die Bündelung der Expertise bleibt hier ein wesentliches Ziel.

Heute vor 20 Jahren unterzeichnete die damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung das Stiftungsgeschäft: Wo sehen Sie die Stiftung, wenn sie ihr 30-jähriges Bestehen feiern kann?

Wie sich die DSF entwickeln kann, wird entscheidend von der Ressourcenfrage abhängen. Dieses Thema beschäftigt uns schon seit der Gründung. Meine Hoffnung ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts auf einen nachhaltigen Pfad kommen und den Fortbestand der Stiftung als unabhängige Einrichtung der Forschungsförderung dauerhaft sichern können. Denn auch künftige Generationen von Wissenschaftler*innen sollen von unserer Förderung profitieren. Die Entwicklung des internationalen Konfliktgeschehens, aber auch die Zunahme innergesellschaftlicher Konfliktpotenziale, haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, in Deutschland die Forschung auf den Feldern der Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik sowie zum innergesellschaftlichen Frieden zu fördern und zu stärken. Für ihre Rolle als Impulsgeberin für das Forschungsfeld ist die Stiftung heute 20 Jahre nach der Gründung gut aufgestellt. Unsere Aufgabe bleibt aber, bis 2030 und darüber hinaus, im Auge zu behalten, wie sich das Forschungsfeld strukturell weiterentwickeln kann, wie neue Themen und Ansätze gefördert werden können und welchen Beitrag die DSF dazu leisten kann.