Friedensforschung als „Herzensangelegenheit”
Beitrag von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn, Bundestagsvizepräsidentin, a. D. und Bundesministerin, a. D. für die Extraausgabe des Newsletters „Notizblog“ anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Deutschen Stiftung Friedensforschung.
Die Förderung und Stärkung der Friedensforschung in Deutschland war für mich stets eine Herzensangelegenheit. Ich war und bin fest davon überzeugt, dass Politik und Zivilgesellschaft auf eine breit aufgestellte, leistungsfähige und gut vernetzte Friedens- und Konfliktforschung angewiesen sind, um frühzeitig Gefährdungen des inneren und äußeren Friedens erkennen und um Instrumente und Strategien gewaltfreier Konfliktaustragung sowie zur nachhaltigen Zivilisierung bereits ausgebrochener Konflikte entwickeln zu können. Die Friedensforschung wird diese Aufgabe aber nur leisten können, wenn sie ausreichend finanziert ist und wenn sie frei und unabhängig über Inhalte und Schwerpunkte bestimmen kann. Gerade die Friedens- und Konfliktforschung muss kritisch, ja mutig sein können.
Bei meinem Amtsantritt 1998 gab es allerdings keine eigenständige Förderung der Friedensforschung mehr. Seit 1983 war diese jahrelang zurückgefahren worden, um schließlich ganz auszulaufen. Eine Wiederaufnahme der Projektförderung seitens des BMBF schien mir vor diesem Hintergrund kein geeignetes Mittel, hätte doch die Gefahr bestanden, dass sie bei einer anderen Regierungsmehrheit wieder in Frage gestellt worden wäre. Dem wollte ich mit der Gründung einer mit einem eigenen Kapitalstock ausgestatteten Stiftung vorbeugen.
Die Stiftungsidee war seinerzeit allerdings heftig umstritten. Während von manchen in der Friedensforschung der Verdacht geäußert wurde, die Regierung wolle eine regierungstreue Friedensforschung etablieren, lehnte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Gründung als überflüssig ab. Manche Kollegen behaupteten sogar, sie sei irrelevant und hätte keinen Erkenntniswert.
Wenn sich heute alle demokratischen Parteien im Bundestag anerkennend über das Wirken der Stiftung äußern und sich für eine weitere Stärkung der Friedensforschung aussprechen, so zeigt dies: Es hat sich gelohnt. Die Mitarbeiter/innen der Stiftung und die von ihr Geförderten haben mit ihrem Engagement und ihren Arbeiten überzeugt. Dafür gilt Ihnen mein herzlicher Dank.
Was bei der Gründung der Stiftung allerdings nicht absehbar war, ist die Entwicklung auf den Kapitalmärkten, auf denen sichere Anlagen nur noch geringe Erträge bringen. Auch die damalige Erwartung, weitere Kapitalgeber zu Zustiftungen bewegen zu können, hat sich leider nicht erfüllt. Der Kapitalstock der Stiftung sollte deshalb seitens des Bundes – wie auch vom Wissenschaftsrat gefordert – um 50 Millionen Euro erhöht werden, um die Arbeit der Stiftung langfristig abzusichern und ausbauen zu können.
Der Stiftung sollte hierdurch u. a. ermöglicht werden, ihre Zusammenarbeit und Vernetzung mit internationalen Partnern auszubauen und sich andererseits stärker dem zivilgesellschaftlichen Diskus jenseits der akademischen Bahnen zu widmen.
Angesichts der wachsenden Infragestellung multilateraler Zusammenarbeit und dem Erstarken nationalistischer, demokratiefeindlicher Bewegungen bei gleichzeitig sich weiter ausdifferenzierenden internationalen Konfliktlagen und wachsender Gefährdung des inneren Friedens ist dies m. E. dringend geboten.
Ich wünsche der Stiftung weiterhin gutes Gelingen, die nötige Unterstützung und Mut für kritische Interventionen.