„Räume des Friedens“: Friedensideen in der russischen und ukrainischen Diaspora in Deutschland und ihr Potenzial für die Konflikttransformation
Projektleitung: Dr. Regina Heller, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Projekttyp: Profilprojekt
Fördersumme: 150 Tsd. Euro
Laufzeit: 30 Monate
„Räume des Friedens“: Friedensideen in der russischen und ukrainischen Diaspora in Deutschland und ihr Potenzial für die Konflikttransformation
Projektleitung: Dr. Regina Heller, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Projekttyp: Profilprojekt
Fördersumme: 150 Tsd. Euro
Laufzeit: 30 Monate
Zusammenfassung
Im Angesicht des russischen Angriffskriegs in der Ukraine scheint das Nachdenken über Frieden zwischen Ukrainer:innen und Russ:innen derzeit unmöglich. Und doch liegt der Schlüssel für die nachhaltige Konflikttransformation bei den Menschen, die mit den Erfahrungen des Krieges in der Zukunft wieder miteinander und nebeneinander leben müssen. In diesem Projekt wollen wir mit Vertreter:innen der ukrainischen und russischen Diaspora(s) in Deutschland Alltagswissen über Wege des friedlichen Miteinanders ergründen. Welche Vorstellung friedlichen Zusammenlebens bringen diese Menschen mit, welche praktizieren sie und wie können sie das Miteinander positiv verändern?
Da uns derzeit die Möglichkeiten fehlen, mit den Betroffenen vor Ort direkt zu sprechen, arbeiten wir mit jenen Menschen in Deutschland, die z.B. durch Flucht, familiäre Verbindungen oder Gefühle kultureller Zugehörigkeit zur einen oder anderen Konfliktpartei vom Krieg betroffen sind. Diese Menschen bringen zum einen ihre jeweils kulturell, religiös und gesellschaftlich geprägten Vorstellungen eines friedlichen Zusammenlebens mit, und zum anderen agieren sie im Alltag im Sinne dieser Vorstellungen. Das Projekt will ergründen, worin diese Vorstellungen und Praktiken bestehen und beispielhaft zeigen, wie ihre Aktualisierung das Miteinander in konkreten Begegnungsorten verändern kann.
Das Projekt wendet den Blick stärker auf die soziale Verankerung von Frieden und Konfliktbewältigung, als dies unter einem staatszentrierten Blick möglich wäre. Letzterer dominiert weiterhin die Forschung über Frieden und Sicherheit in Europa. Es schafft zudem geschützte Räume der Begegnung, in denen erprobt wird, wie dieses Wissen in friedensfördernder Absicht aktiviert und für die Herkunftsgesellschaften nutzbar gemacht werden kann. Frieden wird so zur gelebten deliberativen Praxis. Wir verfolgen zudem einen beteiligungsorientierten Forschungsansatz. Wir verstehen Wissenschaft und Alltagswelt als komplementäre, miteinander verbundene Gesellschaftssphären. Die Menschen, deren Lebenswelt wir „beforschen“, werden zu gestaltenden und erkennenden Subjekte, Forschende werden zu Lernenden, die sich in der Forschungspraxis an den Wahrnehmungen und Bedürfnissen ihrer alltagsweltlichen Partner:innen orientieren.
Unser Forschungsprojekt gliedert sich in drei Phasen. Zunächst führen wir ein „Stakeholder“-Mapping durch, in dem wir untersuchen, auf welcher Grundlage Identitäts- und Gruppenbildung in den Diasporas in Deutschland stattfindet. Zudem wollen wir so die alltagsweltlichen Partner:innen für die weiteren Projektaktivitäten gewinnen. Wir führen im zweiten Schritt leitfadengestützte Interviews mit Vertreter:innen der Diaspora(s) durch. Diese sollen Aufschluss geben über die individuellen Friedensvorstellungen und die ihnen zugrundeliegenden Werte, aber auch über die Wahrnehmung des Krieges und wie er sich auf das Alltagswissen und die Praxis friedlichen Zusammenlebens auswirken. In der dritten Phase kommen experimentell-kreative Methoden der Wissensproduktion zum Einsatz. Eine Zukunftswerkstatt soll zum sicheren Ort des Austauschs und der Verständigung werden.
Wir hoffen so, frühzeitig mögliche Rahmenbedingungen für künftige Annäherung und Verständigung zu identifizieren. Die Ergebnisse sollen öffentlichkeitswirksam dokumentiert und für interessierte Akteur:innen in Deutschland und in den Herkunftsgesellschaften zur Verfügung gestellt werden.
Abstract
In the face of Russia’s war of aggression against Ukraine, thinking about peace among Ukrainians and Russians seems currently impossible. And yet the key to sustainable conflict transformation lies with the people who will have to live with and alongside each other again in the future. What ideas of peaceful coexistence do these people have, how do they practice them and how can they change their relationships? In this project, we explore everyday knowledge about ways of peaceful coexistence of and together with representatives of the Ukrainian and Russian diaspora(s) in Germany.
Given the lack of opportunity to speak directly with those affected by the war on the ground, the Ukrainian and Russian diasporas are important access points to understanding better the dividing and connecting lines among the societies of their origin. Diasporas bring their own ideas of peaceful coexistence to their hosting countries, and they are likely to act in accordance with these ideas in their everyday lives. The project aims to find out what these ideas and practices are and explores whether and how their actualization influences interpersonal interaction under the condition of war and deep societal division.
The project thus looks more closely at the micro-foundations and social anchoring of peace and conflict resolution than would be possible from a state-centered perspective. The latter continues to abound in research on peace and security in Europe. It moreover creates protected spaces for encounters in which to test how everyday knowledge can be activated. Thus, peace turns into a lived deliberative practice. Ideally, the results from our project can be used in a constructive and model-building way for similar places of understanding and exchange in the societies of origin. The project applies a participatory research method, treating the academic and everyday world as complementary and interconnected spheres. Everyday partners become knowledge-generating subjects, researchers turn into ‘learners’, who orient their research practice along the perceptions and needs of the everyday partners.
The research process consists of three phases. Firstly, we conduct a stakeholder mapping, exploring how identity and group formation within the Ukrainian and Russian diaspora(s) in Germany take place. The stakeholder mapping will help us to identify everyday partners from this environment for further project activities. Secondly, we conduct guided interviews with representatives of the Ukrainian and Russian diaspora(s). These will provide information about individualized ideas of peace and the values on which they base, but also about perceptions of the war and how it affects the everyday knowledge and practices of peaceful coexistence. Thirdly, we apply more creative and experimental methods of knowledge production. A real-life laboratory will provide a safe and protected space for exchange and meaningful understanding among members of the diasporas.
This way, we hope to identify possible scope conditions for future rapprochement and understanding in the societies of origin at an early stage. We will document the findings from the project for the public and make them available to an interested audience in Germany as well as to the societies of origin.