Publikationen
Hansel, Mischa; Ruhnke, Simon (2017): A Revolution in Democratic Warfare? Assessing Regime Type and Capability-Based Explanations of Military Transformation Processes. In: International Journal, 72 (3), 356-379. Zur Publikation.
Hansel, Mischa; Nanni, Sara (2018): Quantitative Rüstungsanalysen im Zeichen von Digitalisierung und Automatisierung. In: ZIB, 25 (1), 211 – 220. Zur Publikation.
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Zusammenfassung
Militärstrategen beschwören seit nunmehr drei Jahrzehnten eine radikale Minimierung physischer Gewalt durch überlegene Informationslagen im Gefolge neuer Militärtechnologien. Die friedenspolitischen Effekte dieser sogenannten Revolution in Military Affairs (RMA) – zu der etwa teilautomatisierte Drohnen oder Computernetzwerkattacken (CNA) zählen – werden in Politik und Wissenschaft kontrovers diskutiert. Kritiker konstatieren ethische Dilemmata, die Erosion völkerrechtlicher Normen, die Aushebelung demokratischer Kontrollrechte sowie erhebliche Eskalationsrisiken. Demgegenüber sind die Ursachen der Entscheidung zur Entwicklung, Beschaffung und Dislozierung solcher Fähigkeiten nur spärlich erforscht. Die vorhandenen Studien verweisen u.a. auf die Restriktionen einer distinkten demokratischen Sicherheitspolitik, Einflüsse der strategischen Kultur eines Landes, allianzpolitische Dynamiken, zivil-militärische und militärisch-industrielle Beziehungen und asymmetrische Konfliktformationen. Sie zeichnen sich durch meist qualitative Zugriffe auf wenige und nicht systematisch ausgesuchte Fälle aus.
Mit Blick auf das Spektrum der Kausalhypothesen und eine Vielzahl von potentiellen Störvariablen ist eine Ergänzung durch quantitative Methoden dringend geboten. Für multikausale large-N-Studien fehlen indes standardisierte Datensets zur abhängigen Variable (Zeitpunkt und Intensität staatlicher Investments in hochgradig IT-basierte militärische Mittel). Das Forschungsprojekt beabsichtigt, diese kritische Lücke zu schließen und die Datenlage für quantitative (und qualitative) Ursachenanalysen der Rüstungsdynamik signifikant zu verbessern. Dazu wird ein Index entwickelt, der Daten aus Bereichen aggregiert, die in der RMA-Literatur als paradigmatisch angesehen werden: Unmanned Aerial Vehicles (UAVs), Satelliten und Cyberwar. Auf dieser Grundlage ist dann ein standardisiertes Ranking der Fähigkeiten aller Staaten möglich.
Im Ergebnis werden so erstmals die Voraussetzungen für konkurrierende Hypothesentests mit hohen Fallzahlen und mit der Möglichkeit der besseren Kontrolle von Drittvariablen geschaffen. Qualitative Forschungsdesigns wiederum können den Index für die Identifizierung theoretisch relevanter und methodisch geeigneter Fälle (‚crucial cases‘) nutzen. Um eine theoretisch und methodisch breit angelegte Forschungsagenda anzustoßen, wird der Index in englischer Sprache allen interessierten Forscherinnen und Forschern als Datensatz zur Verfügung stehen. Die friedenspraktische Relevanz dieser Forschungsagenda ergibt sich aus der Akzentverschiebung auf den politischen Kontext problematischer Rüstungsdynamiken. Perspektivisch werden dadurch nicht mehr allein die Herausforderungen der Implementierung von Regulierungsinitiativen (Definition, Verifikation) beleuchtet. Vielmehr kann eine methodisch ausgewogene Ursachenanalyse den Blick auf notwendige politische Begleitmaßnahmen (‚issue-linkages‘, Governance-Architektur, regionale Partnerschaften etc.) lenken, denn abhängig von den Ergebnissen der Ursachenanalysen ist beispielsweise der Einbezug bestimmter Regionalmächte und Regionalorganisationen als relevante Kontextfaktoren dringend geboten. Auch kann die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte notwendig sein, um eine konfrontative internationale Dynamik umzukehren und Regulierungsinitiativen zum Erfolg zu führen. Der Index selbst wird bereits belastbare Rückschlüsse auf regionale und subregionale Schlüsselakteure der Rüstungsdynamik erlauben und Hinweise für kausale Zusammenhänge liefern.