Zusammenfassung
Das Projekt untersucht die Möglichkeiten für Nichtregierungsexperten im deutschen und europäischen Raum, für die Bundesregierung und die EU, zur Forschung über die Verifikation in der nuklearen Abrüstung auf dem Weg zu einer kernwaffenfreien Welt, insbesondere zur Verifikation der Verschrottung von Kernsprengköpfen beizutragen.
Es bedient sich der idealtypischen Methode: Die Anforderungen an ein funktionstüchtiges „Abrüstungs-Verifikationssystem“ werden aus der Literatur rekonstruiert. Die so ermittelten Verifikationsfunktionen werden mit den Leistungen bestehender Verifikation und den Erfahrungen aus der entsprechenden Verifikationspraxis verglichen, um – unter Berücksichtigung der wahrscheinlichsten und virulentesten Umgehungsszenarien – diejenigen zusätzlichen Maßnahmenbündel zu identifizieren, die für eine verlässliche Verifikation des nuklearen Abrüstungsprozesses nötig sein werden.
Im nächsten Schritt werden laufende Forschungsprojekte und ihre (Zwischen-)Ergebnisse daraufhin analysiert, wieweit sie die identifizierten Lücken füllen können und welche Forschungs- und Entwicklungsdesiderate offen bleiben. Es folgt eine Bestandsaufnahme der Forschungskapazitäten in Deutschland und der EU, um die Möglichkeiten für einen substantiellen Beitrag europäischer Forschung zur weltweiten Arbeit an der Verifikationsfrage sowie die deutsche Positionierung in diesem Rahmen zu bestimmen.
Das Projekt dient als Pilotprojekt der Entwicklung eines Netzwerkprojekts, das die deutschen und europäischen Forschungskapazitäten zu einer systematischen, arbeitsteiligen und Synergien produzierenden Arbeitsprogramm zusammenführen soll. In diesem Netz würden Wissenschaftler/innen aus Kernwaffenstaaten und Nichtkernwaffenstaaten zusammenarbeiten. Es handelt sich um ein Vorhaben naturwissenschaftlicher Friedens- und Abrüstungsforschung.
Schon früh nach dem Ende des Kalten Krieges gab es bilaterale Projekte von amerikanischen und russischen Wissenschaftlern zur Verifikation der Demontage von Sprengköpfen. Sie haben wichtige Vorarbeiten geleistet und besonders schwierige und bisher ungelöste Probleme identifiziert. Das erste bilaterale Projekt zwischen Kernwaffenstaaten und Nichtkernwaffenstaaten wurde von Großbritannien und Norwegen durchgeführt und untersuchte experimentell die Verifikation der Abrüstung eines Kernwaffenstaates durch einen Nichtkernwaffenstaat. Weitere Projekte existieren vor allem in den USA, aber auch in Deutschland. Die USA haben auf diplomatischer Ebene ein großes multinationales Vorhaben gestartet, in dem die amerikanische Regierung versucht, die Hegemonie in dem Feld zu behaupten.
Verifikation muss Vertrauen schaffen, dass eine deklarierte Menge von Sprengköpfen zerstört wurde und keine Attrappen untergeschoben wurden. Aber die technischen Eigenschaften eines Sprengkopfes dürfen nicht bekannt werden. Die Forderungen nach Geheimhaltung einerseits und Vertrauen andererseits stehen sich diametral gegenüber, alle Forschungsprojekte sind dadurch bisher an Grenzen gestoßen. Es gibt verschiedene Lösungsansätze, die aber noch auf das Problem stoßen, dass das Vertrauen der einen Seite, dass keiner betrügt, und das Vertrauen der anderen Seite, dass sie nicht ausspioniert wird, noch nicht gleichzeitig geschaffen werden können.
Mit der Erstellung des Sachstandes zielt das Projekt auf die Identifizierung von Handlungsoptionen für Deutschland und die EU. Es füllt damit in wissenschaftlicher und in abrüstungspolitischer Perspektive eine Lücke.
Sowohl die Bundesregierung als auch die EU suchen nach Aktionsfeldern in der nukleare Abrüstung, wo sie Aktivitäten entfalten können, ohne in Konfrontation mit Alliierten (Bundesregierung) oder in eine Blockade durch Gegensätze der Mitgliedsstaaten (EU) zu geraten. Nukleare Abrüstungsverifikation könnte ein solches Feld darstellen. In ihm sind bereits mehrere naturwissenschaftliche Forschungsgruppen tätig, ohne indes ihre Aktivitäten hinreichend zu koordinieren.
Das Projekt exploriert die Möglichkeiten, dieses Grundinteresse politischer Akteure und die laufenden Aktivitäten nichtgouvernmentaler Verifikationsforschung zusammenzuführen. Es untersucht auch die Möglichkeit, das laufende britisch-norwegische Projekt und weitere europäische Nicht-EU-Länder, die über qualifizierte Einrichtungen verfügen, z.B. die Schweiz, in ein EU-geführtes Kooperationsprojekt einzubeziehen. Es zielt damit auf einen relevanten Bereich friedenswissenschaftlicher Politikberatung.
Die folgenden Projektergebnisse werden angesteuert:
1. Eine Übersicht über die notwendigen Anforderungen an ein umfassendes Verifkationssystem für die Abrüstung mit dem Ziel einer kernwaffenfreien Welt.
2. Eine umfassenden Übersicht über den Forschungstand.
3. Identifizierung von Lücken, Problemen, Nischen und Synergien in den entsprechenden Forschungsfeldern.
4. Ableitung von Forschungsaufgaben für die Wissenschaftler und Handlungsoptionen für die oben genannten politischen Akteure..
5. Entwicklung eines Netzwerkprojekts für nukleare Abrüstungsforschung in der EU und Europa mit deutscher Beteiligung.
6. Operationalisierung der Handlungsoptionen in auf den jeweilig adressierten Akteur zugeschnittenen Beratungspapier.