Deutsche Westafrika-Politik: Neue Ansätze, Perzeptionen und Erwartungen aus der Region
Projektleiter*in: Prof. Dr. Michael Staack, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg
Projekttyp: Tagungsförderung
Fördersumme: 18 Tsd. Euro
Veranstaltung: Dakar (Senegal), 11. bis 13. Februar 2020
Deutsche Westafrika-Politik: Neue Ansätze, Perzeptionen und Erwartungen aus der Region
Projektleiter*in: Prof. Dr. Michael Staack, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg
Projekttyp: Tagungsförderung
Fördersumme: 18 Tsd. Euro
Veranstaltung: Dakar (Senegal), 11. bis 13. Februar 2020
Publikation
Tagungsbericht in englischer Sprache und eine französische Kurzfassung.
Zusammenfassung
Innerstaatliche und regionale Herausforderungen und Konflikte wie Klimaveränderung und Desertifikation, Separatismus, Terrorismus, fehlende Chancen (u.a. in Bezug auf Arbeitsplätze und Bildungszugang) und ungenügende Teilhabe (u.a. von Frauen und Jugendlichen) prägen seit Langem die politischen und sozioökonomischen Verhältnisse in der Mehrheit der Länder Westafrikas bzw. der Sahelzone. Eine Stabilisierung und bessere Entwicklung Westafrikas ist nicht nur ein elementares Anliegen der betroffenen Staaten, sondern auch der Europäischen Union. Obwohl positive Veränderungen sowohl in Bezug auf die regionale Zusammenarbeit – beispielsweise ECOWAS und Sahel G5 – als auch im Zusammenwirken mit externen Akteuren – zum Beispiel EU, VN und „neue Geber“ – festgestellt werden können, erschweren unterschiedliche Lösungsansätze, konfligierende Strategien und institutionelle Konkurrenzen die Problembearbeitung. Deshalb ist eine stärker kooperativ und kohärent ausgerichtete Bearbeitung der Herausforderungen und Bewältigung von akuten Krisen, insbesondere in der Zusammenarbeit zwischen regionalen und externen Akteur*innen, inhaltlich sinnvoll und friedens- und sicherheitspolitisch notwendig.
Deutschlands Interesse an Westafrika hat sich seit 2013 erheblich verstärkt und zu einer deutlichen Aufwertung des politischen Stellenwerts dieser Region geführt. Ursächlich dafür sind die 2013 begonnenen, im EU- bzw. VN-Rahmen durchgeführten Bundeswehreinsätze in Mali sowie die Zunahme von Migrationsbewegungen in Richtung Europa. Deutschland will in dieser Region als ambitionierter, aktiver und eigenständiger Akteur wahrgenommen werden, der über die Kooperation in der EU und mit Frankreich hinaus, inhaltlich ein eigenes Profil zeigt. In Westafrika wird Deutschland überwiegend positiv perzipiert; als ein leistungsfähiger Staat mit nur kurzer und deshalb, im Vergleich mit anderen Akteur*innen, weniger belastender kolonialer Vergangenheit sowie einer verlässlichen und auf Ausgleich bedachten Außenpolitik, die in der Region keine geostrategisch-ökonomischen Interessen verfolgt. Ein verstärktes deutsches Engagement wird daher begrüßt, erzeugt aber auch konkrete Erwartungen.
Obwohl die Bundesregierung ihre entwicklungs-, migrations-, außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten in der Region verstärkt und durch mehrere Strategiepapiere programmatisch unterlegt hat, sind Zielkonflikte zu konstatieren. Dazu gehören die unzureichende Einbeziehung regionaler und lokaler Problemwahrnehmungen und Lösungsansätze – insbesondere der Zivilgesellschaft –, die unzureichende Koordinierung einer kohärenten deutschen Westafrika-Politik mit den Partner*innen in der Region, in der EU und nicht zuletzt in Deutschland selbst – auf ministerieller Ebene – sowie divergierende Prioritäten mit Frankreich als dem relevantesten europäischen Akteur in Westafrika. Diese Zielkonflikte sind friedenspolitisch so gravierend, dass ihre Nichtbearbeitung die erfolgreiche Umsetzung der genannten Strategien ineffizient bzw. wenig erfolgreich machen würde. Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, die Ziele, Rolle und Grenzen deutscher Westafrikapolitik wissenschaftlich (neu) auszuloten, mit Erwartungen aus dieser Region zu spiegeln und im Austausch mit den afrikanischen Partnern kritisch zu hinterfragen. Während die inhaltlichen Herausforderungen in der Region Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung sind, besteht in Bezug auf die deutsche Westafrika-Politik und ihre Perzeption sowie Bewertung in dieser Region eine Forschungslücke.
Im Rahmen der von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) geförderten internationalen wissenschaftlichen Tagung soll daher die Leitfrage bearbeitet werden, inwiefern deutsche und afrikanische Erwartungen in Bezug auf die Entwicklung der Region Westafrika miteinander übereinstimmen, wo sie voneinander abweichen und welche Schlussfolgerungen zur Verbesserung einer friedenspolitisch geleiteten Kooperation für Entwicklung und Sicherheit daraus gezogen werden können. Folgende vier Themen werden im Vordergrund stehen: (1) Empowerment von Frauen; (2) der Friedensprozess in Mali; (3) die Organisation der regionalen Zusammenarbeit: ECOWAS und Sahel G5 sowie (4) ‚Compact with Africa’ und ‚Economic Partnership Agreements’. Die Tagung verbindet somit inhaltliche Debatte und wissenschaftliche Politikberatung. Ziel ist es zudem, ein wissenschaftliches Netzwerk zur deutschen Westafrika-Politik zu etablieren, an dem deutsche, westafrikanische und ggfs. weitere europäische Wissenschaftler/innen beteiligt sind. Ein solches Netzwerk als Plattform für wissenschaftliche Analyse, Kooperation und Austausch ist bisher nicht vorhanden.
Die Koordinierung auf deutscher Seite wird durch die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr (HSU) (Prof. Dr. Michael Staack) und das Institut für Theologie und Frieden (ithf) (Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven) erfolgen. Die Konferenz soll voraussichtlich Anfang 2020 in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stattfinden; einem regionalen Knotenpunkt der wissenschaftlichen und politischen Kooperation. Die Teilnehmer/innen der Konferenz werden mehrheitlich aus Westafrika – insbesondere aus Ghana, Mali, Nigeria, dem Senegal – kommen; außerdem aus Deutschland und Frankreich. Kooperationspartner aus der Region sind das West Africa Institute (WAI), Praia/Kapverden, und das Centre des Hautes Études de Défense et de Sécurité (CHEDS), Dakar. Das Projekt knüpft an einen ersten gemeinsamen Workshop der Helmut-Schmidt-Universität und des Instituts für Theologie und Frieden zur deutschen Westafrika-Politik im Mai 2018 in Berlin an und führt diesen inhaltlich weiter.
Abstract
Domestic and regional challenges as well as conflicts such as climate change and desertification, separatism, terrorism, lack of opportunities (e.g. in relation to access to jobs and education) and insufficient participation (e.g. by women and young people) have for a long time characterized political and socio-economic conditions in the majority of countries in West Africa and the Sahel region. Stabilization and better development in West Africa is a fundamental concern of the states concerned, but also of the European Union. Although positive changes can be observed both in terms of regional cooperation – e.g. ECOWAS and Sahel G5 – and in cooperation with external actors – e.g. the EU, UN and new donors. Different approaches, conflicting strategies and institutional competition make it difficult to deal with the problems already mentioned. Therefore, a more cooperative and coherent approach as well as the management of crises, especially in cooperation between regional and external actors, is necessary in terms of peace and security policy.
Germany’s interest in West Africa has significantly increased since 2013 and has led to a political upgrading of the region. This is not only due to the Bundeswehr missions in Mali, which commenced in 2013 and are conducted within the EU and UN framework, but also due to the increase in migration flows from Africa towards the EU. Germany seeks to be perceived as an ambitious, active and independent actor with an independent profile in this context (beyond cooperation within the EU frameworks and France). From a West African point of view, Germany is predominantly being perceived quite positively; as an efficient state with only a short colonial past that is less burdensome than that of other actors, and pursuing a reliable and balanced foreign policy devoid of any geostrategic-economic interests in the region. In general, an increased involvement of Germany is being welcomed, but it also generates certain expectations.
Although the German Federal Government has intensified its developing policy, migration policy, and its foreign and security policy activities in the region and has underpinned them programmatically by means of several strategy papers, a number of conflicting goals can be identified. These include the inadequate inclusion of regional and local perceptions and approaches (particularly the civil society), insufficient coordination with partners within the region, inside the EU and not least within Germany itself (at the ministerial level), as well as diverging priorities with France as the most important European actor in West Africa. In terms of peace policy, these conflicts are so serious that any failure to address them effectively would render the implementation of strategies inefficient and unsuccessful. It is, therefore, appropriate and necessary to redefine the goals, role and limits of Germany’s West Africa policy in a scientific manner and to take into closer consideration the expectations from the West African region as well as to critically reflect on them in closer exchange with African partners. While the problems and challenges are discussed inside the region and are subject of intense scientific research, a notable research gap prevails with regard to Germany’s West Africa policy, its perception and its evaluation.
Within the international workshop, largely funded by the Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF), the research question to be addressed is, thus, to what extent German and African expectations concerning the development of the West African region coincide, to what extend and at which aspects do they diverge, and what conclusions can be drawn from this in order to improve cooperation for development and security in the future. Four topics will be paramount during the workshop: (1) Empowerment of women; (2) Peace process in Mali; (3) Organizing regional cooperation: ECOWAS and Sahel G5; (4) ‘Compact with Africa’ and ‘Economic Partnership Agreements’. The workshop will combine academic debate and scientific policy advice. The aim of the workshop is also to establish a scientific network on issues related to Germany’s West Africa policy in which West African, German and other European participants are involved. Such a network as a platform for scientific analysis, cooperation and exchange is not yet available.
Coordination on the German side will be carried out by the Helmut Schmidt University/University of the Federal Armed Forces (HSU) (Prof. Dr. Michael Staack) and the Institute for Theology and Peace (ithf) (Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven). The conference is expected to take place at the beginning of 2020 in the Senegalese capital Dakar, a regional hub of scientific and political cooperation. The majority of participants will come from West Africa – Ghana, Mali, Nigeria, and Senegal – as well as from Germany and France. Cooperation partners from within the region are the West Africa Institute (WAI), Praia/Kapverden, and the Centre des Hautes Études de Défense et de Sécurité (CHEDS), Dakar. The project follows up on a first joint international workshop of the Helmut Schmidt University and the Institute for Theology and Peace on Germany’s West Africa policy in May 2018 in Berlin.