Die gesellschaftliche Akzeptanz von Waffenexporten in den wichtigsten exportierenden EU- und NATO-Ländern: Ein Conjoint-Experiment
Projektleitung: Dr. Lukas Rudolph & Prof. Dr. Paul W. Thurner, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Profilprojekt
Fördersumme: 150 Tsd. Euro
Laufzeit: 30 Monate
Die gesellschaftliche Akzeptanz von Waffenexporten in den wichtigsten exportierenden EU- und NATO-Ländern: Ein Conjoint-Experiment
Projektleitung: Dr. Lukas Rudolph & Prof. Dr. Paul W. Thurner, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Profilprojekt
Fördersumme: 150 Tsd. Euro
Laufzeit: 30 Monate
Publikationen
Mehltretter, Andreas, Paul W. Thurner, Oliver Pamp, Paul Binder. 2023. Rebels’ Armament Dataset (RAD) Codebook. Link.
Mehltretter, Andreas and Pamp, Oliver and Thurner, Paul and Binder, Paul. 2023, Introducing the Rebels Armament Dataset (RAD): Collecting Evidence on Rebel Military Capabilities (August 10, 2023). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4537283
Datensätze
Zusammenfassung
Der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine wirft ein Schlaglicht auf die zentrale Frage unseres Forschungsprojektes: Sollten Waffen an andere Länder geliefert werden? Unter welchen Bedingungen? Was denken die Bürgerinnen und Bürger der wichtigsten exportierenden Staaten in EU und NATO hierzu? Das Beispiel Ukraine zeigt: Waffenhandel kann die politische Diskussion in demokratischen Staaten bestimmen. Angesichts volatiler Meinungsumfragen scheinen die entsprechenden Einstellungen von Bürgerinnen und Bürgern wandelbar, und die Zustimmungsanteile variieren zwischen Ländern. Erstaunlicherweise gibt es aber kaum allgemeine Forschungserkenntnisse über die Einstellungen der Bevölkerung zu Waffentransfers. Jenseits des aktuellen und akuten Falles der Ukraine sind Waffenexporte zwischen politischen Parteien und in den nationalstaatlichen Öffentlichkeiten immer wieder in unterschiedlichem Ausmaße umstritten. Ein Hauptargument zivilgesellschaftlicher Gruppen und vor allem politisch linker Parteien ist der Hinweis auf die möglichen Implikationen solcher Transfers: die Auslösung, Verschärfung oder Verlängerung bewaffneter Konflikte, die Verletzung von Menschenrechten oder die Stabilisierung nichtdemokratischer Regime. Gegenargumente verweisen auf wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen des Senderstaates, oder die Unterstützung legitimer Verteidigungsinteressen des Empfängerstaates. Es ist vollkommen offen, ob sich die politische Diskussion solcher Argumente auch in der Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zu Waffenexporten widerspiegelt. Es ist auch unklar, ob sich Abwägungen zwischen den verschiedenen Aspekten tatsächlich in verschiedenen Ländern unterscheiden. Es wird häufig argumentiert, dass im Vergleich zur deutschen Bevölkerung, die Bevölkerungen anderer westlicher Demokratien mit einer zentralen Rolle im internationalen Waffentransfersystem (USA, Frankreich, Italien, Großbritannien) sehr viel geringere Bedenken gegen solche Exporte haben. Daher ist ein länderübergreifender Vergleich der Wählerreaktionen auf Waffenexporte besonders wichtig, um die Vermutung einer deutschen Spezifität zu überprüfen.
Unser Projekt versucht, aufbauend auf einem innovativen methodischen Ansatz, wichtige Antworten auf diese wesentlichen Fragen zu geben. Unter Rückgriff auf sogenannte Conjoint-Designs implementieren wir ein experimentelles Format innerhalb bevölkerungsrepräsentativer Umfragen. Die Befragten sind dabei mehrfach mit mehrdimensionalen hypothetischen Entscheidungen zwischen Szenarien konfrontiert, die sich nach Entscheidungskriterien (Attributen) unterscheiden. Die Entscheidungsaufgaben sind so gestaltet, dass sie konkrete Politikgestaltungsoptionen imitieren. Die Befragten werden dann gebeten, die Szenarien zu bewerten, und ihre bevorzugte Option auszuwählen. Auf diese Weise können wir die kausale Wirkung der manipulierten Dimensionen dieser Szenarien bestimmen. Das Projekt konzentriert sich dabei auf die vergleichende Relevanz von moralisch-rechtlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekten bei der Beurteilung der Legitimität von Waffenexporten. Es wird Wertabwägungen zwischen den wahrgenommenen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wohlfahrt (Arbeitsplätze, Innovation usw.) und normativen Überlegungen (Risiko oder Vorhandensein von Konflikten, Menschenrechtsverletzungen, Regimecharakteristika des Importeurs) bestimmen.
Abstract
The Russian army’s invasion of Ukraine sheds light on the central question of our research project: Should weapons be supplied to other countries? Under what conditions? What do the citizens of the main exporting states in the EU and NATO think about this? The example of Ukraine shows: Arms transfers can shape the political discussion in democratic states. Given the volatility of opinion polls, citizens’ attitudes on this issue appear to be changeable, and the levels of support vary between countries. Surprisingly, however, there is little general research on public attitudes to arms transfers. Beyond the current and acute case of Ukraine, arms exports are repeatedly contested to varying degrees among political parties and in the public spheres in different nation-states. One of the main arguments put forward by civil society groups and, in particular, by parties of the political left is the possible impact of such transfers: the initiation, intensification or prolongation of armed conflicts, the violation of human rights or the stabilization of non-democratic regimes. Counterarguments point to economic and security interests of the sending state, or the support for legitimate defense interests of the receiving state. It is completely open whether the political discussion of such arguments is also reflected in citizens’ attitudes toward arms exports. It is also unclear whether trade-offs between the various aspects actually differ in different countries. It is often argued that, compared to the German population, the populations of other Western democracies with a central role in the international arms transfer system (the United States, France, Italy, the United Kingdom) have much lower concerns about such exports. Thus, a cross-national comparison of voter reactions to arms exports is particularly important to test the assumption of German specificity.
Based on an innovative methodological approach, our project attempts to provide important answers to these essential questions. Using so-called conjoint designs, we implement an experimental format within population-representative surveys. Respondents are repeatedly confronted with multidimensional hypothetical choices between scenarios that differ in decision criteria (attributes). The decision tasks are designed to mimic specific policy options. Respondents are then asked to rank the scenarios and select their preferred option. In this way, we can determine the causal effect of the manipulated dimensions of these scenarios. The project will focus on the comparative relevance of morally legal, economic and security aspects in assessing the legitimacy of arms exports. It will identify value trade-offs between perceived impacts on economic welfare (jobs, innovation, etc.) and normative considerations (risk or presence of conflict, human rights violations, regime characteristics of the importer).