Einstellungen zu Waffenhandel in Deutschland und Frankreich – A Conjoint Experiment on the Comparative Legitimacy of Arms Exports in Germany and France
Projektleiter: Prof. Dr. Paul W. Thurner & Dr. Lukas Rudolph, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Pilotstudie
Fördersumme: 24 Tsd. Euro
Laufzeit: 12 Monate
Einstellungen zu Waffenhandel in Deutschland und Frankreich – A Conjoint Experiment on the Comparative Legitimacy of Arms Exports in Germany and France
Projektleiter: Prof. Dr. Paul W. Thurner & Dr. Lukas Rudolph, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Pilotstudie
Fördersumme: 24 Tsd. Euro
Laufzeit: 12 Monate
Publikationen
Rudolph, Lukas, Markus Freitag und Paul W. Thurner. 2023. Deontological and consequentialist preferences towards arms exports: Acomparative conjoint experiment in France and Germany. In: European Journal of Political Research (Onlinepublikation), 31.07.2023, Link.
Rudolph, Lukas, Markus Freitag und Paul W. Thurner. 2021. The Comparative Legitimacy of Arms Exports – A Conjoint Experiment in Germany and France, In: SocArXix Papers. Link.
Zusammenfassung
Waffenexporte sind zwischen den deutschen politischen Parteien und in der deutschen Öffentlichkeit immer wieder heftig umstritten. Ein Hauptargument der zivilgesellschaftlichen Gruppen und vor allem der linken Parteien ist der Hinweis auf die möglichen Implikationen solcher Transfers: die Auslösung ziviler und internationaler Konflikte, die Verlängerung solcher Konflikte und ihre Verschärfung in Form von menschlichen Verlusten, die Verletzung von Menschenrechten und die Stabilisierung nichtdemokratischer Regime. Es ist jedoch offen, ob sich die politische Diskussion solcher Argumente auch in der Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zu Waffenexporten widerspiegelt. Es gibt auch keine Untersuchungen zu der Frage, ob sich solche Einstellungen in den einzelnen Ländern systematisch unterscheiden. Es scheint z.B., dass andere westliche Demokratien mit einer dominierenden Rolle im internationalen Waffentransfersystem wie die USA, Großbritannien und Frankreich sehr viel geringere Bedenken gegen solche Exporte haben. Wir wollen eine gründliche empirische Grundlage für diese anekdotischen Behauptungen schaffen, die derzeit sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der öffentlichen Debatte fehlt. Daher ist ein länderübergreifender Vergleich der Wählerreaktionen auf Waffenexporte besonders wichtig, um die Annahme einer deutschen Spezifität, aber auch die interne Verlässlichkeit von Bündnissen wie der NATO oder einer kürzlich vorgeschlagenen europäischen Verteidigungspolitik einschließlich der entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsinitiativen wie der Permanent Structured Cooperation (PESCO) zu testen. Wenn Entscheidungen über Waffentransfers in Länder wie Saudi-Arabien, an die Kurden etc. aufgrund spezifischer Einstellungen in der deutschen Zivilgesellschaft nicht von der Bundesregierung unterstützt werden können, wird dies Konsequenzen für die Gestaltung zukünftiger kooperativer Verteidigungs- und Sicherheitsregime haben. Im Falle Frankreichs und Deutschlands haben offene Streitigkeiten über die Grundsätze der Ausfuhr gemeinsam entwickelter Waffen sogar dazu geführt, dass beide Länder diesen Konflikt im Aachener Abkommen von 2019 und im Oktober 2019 in einem deutsch-französischen Abkommen über Exportkontrollen (siehe Décret n° 2019-1168 vom 13. November 2019) beilegen.
Dieses Pilotprojekt versucht, aufbauend auf einem innovativen methodischen Ansatz, erste Antworten auf diese wesentlichen Fragen zu geben. Es wird sich auf Conjoint-Experimente stützen, die in zwei ausgewählten Ländern – Deutschland und Frankreich – durchgeführt werden sollen. Gemäß der SIPRI-Waffentransferstatistik 2019 gehören diese beiden Länder zur Top-5-Gruppe der Exporteure von Großwaffen. In Frankreich sind diese Exporte eher selten ein Thema der politischen Debatte, in Deutschland ist das immer wieder das Gegenteil.
Conjoint-Experimente ermöglichen es, ein experimentelles Format innerhalb eines Surveys zu implementieren. Die Befragten sind mehrfach mit mehrdimensionalen hypothetischen Entscheidungen zwischen Szenarien konfrontiert, die sich nach mehreren Entscheidungskriterien (Attributen)
unterscheiden. Diese Entscheidungsaufgaben sind so gestaltet, dass sie konkrete Politikgestaltungsoptionen imitieren. Die Befragten werden gebeten, die einzelnen Szenarien zu bewerten, und sie wählen ihre bevorzugte Option aus. Innerhalb der Szenarien werden die Attributsebenen, d.h. die konkrete Beschreibung der Situation, nach dem Zufallsprinzip zugewiesen. Dies ermöglicht es dem Forscher zu bestimmen, wie sich die Auswahlmerkmale kausal sowohl auf die Bewertung als auch auf die Auswahlwahrscheinlichkeit eines Politikpakets innerhalb sowie zwischen den Respondenten auswirken. Auf diese Weise können wir die kausale Wirkung der manipulierten Dimensionen dieser Szenarien bestimmen. Das Projekt konzentriert sich erstmals auf die vergleichende Relevanz von moralisch-rechtlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekten bei der Beurteilung der Legitimität von Waffenexporten in Deutschland und Frankreich. Es wird Wertabwägungen zwischen den wahrgenommenen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wohlfahrt (Arbeitsplätze, Innovation usw.) und normativen Überlegungen (Risiko oder Vorhandensein von Konflikten, Menschenrechtsverletzungen, Regimecharakteristika des Importeurs) bestimmen. Wir erwarten, dass die letztgenannten Aspekte die Akzeptanz von Waffenexporten im Allgemeinen verringern werden. Wir gehen jedoch davon aus, dass diese Auswirkungen im Falle Frankreichs aufgrund einer anderen politischen Geschichte und Kultur geringer vorhanden sein werden (ceteris paribus). Wenn diese Erwartung widerlegt wird, dann sind es eher institutionelle Rahmenbedingungen wie das Wahlsystem und die Folge einer geringen Politisierung in solchen Umfeldern des Parteienwettbewerbs. Der Pilotcharakter dieser Studie würde uns dazu ggf. ermutigen, diesen Entwurf auf weitere Demokratien (insbesondere auf Großbritannien und die USA) auszudehnen und das zeit- und kontextabhängige Wechselspiel zwischen wirtschaftlichen und normativen Erwägungen bei Waffenexporten detaillierter auszuarbeiten.
Abstract
The export of arms is severely contested between the German political parties and in the German public. A major argument by opposing civil society groups and mainly leftist parties is the reference to the supposed implications of such transfers: the triggering of civil and international conflict, the prolongation of such conflicts and their aggravation in terms of human losses, the violations of human rights, and the stabilization of non-democratic regimes. It is open, however, whether the political discussion of such arguments is also reflected in citizens’ attitudes towards arms exports. There is also no research on the question whether such attitudes differ systematically across countries. E.g., it seems that other Western democracies with a dominant role in the international arms transfer system like the US, the UK and France are less strongly opposing such exports. We want to provide a thorough empirical foundation for these anecdotal claims which is currently lacking in both scientific and public debate. Thus, a cross-country comparison of voter reactions towards arms exports is especially important for testing the assumption of the presence of a German specificity, but also for the internal reliability of alliances like NATO, or of a recently proposed European Defense Policy including the respective research and development initiatives like the Permanent Structured Cooperation (PESCO). If decisions to transfers arms to countries like Saudi-Arabia, to the Kurds etc. cannot be supported by the German government due specific attitudes in its civil society, this will have consequences for the design of future cooperative defense and security regimes. In the case of France and Germany, open disputes over principles of the exports of jointly developed weapons have even led both countries to settle their conflict in the their Aachen Treaty in 2019, and in more detail in a Franco-German agreement on export controls in October 2019 (see Décret n° 2019-1168 du 13 novembre 2019). This pilot project seeks to provide answers to these essential questions building on an innovative methodical approach. It will use conjoint experiments to be implemented in two selected countries – Germany and France. According to SIPRIs 2019 Weapons transfer statistics, these two countries belong to the Top 5 group of exporters of major weapons. In France, these exports are rather seldom a topic of political debates, in Germany that’s repeatedly the contrary.
Conjoint experiments allow to implement an experimental setting within a survey format. Respondents are several times confronted with multidimensional hypothetical decisions between choice sets which differ according to several dimensions (choice attributes). These decision tasks are designed in a way that they mimick concrete policy design options. Respondents are then asked to rate the individual choices and they select their preferred option. Attribute levels, i.e. the concrete description of the situation, are randomly assigned within choice sets. This enables the researcher to identify how choice characteristics causally affect both the rating and choice probability of a policy package in a within subject and between subject-design. We can thereby determine the causal effect of the manipulated dimensions of these scenarios. The project will for the first time focus on the comparative relevance of moral, economic and security aspects on the assessment of the legitimacy of weapons exports in Germany and France. It will derive value trade-offs between the perceived economic welfare impact (jobs, innovation etc.) and normative considerations (risk or presence of conflicts, human rights violations, regime characteristics of the importer). We expect these latter aspects to decrease the acceptance of arms exports in general. However, we anticipate these effects to be smaller or inexistent (ceteris paribus) in the case of France due to a different political history and culture. If this expectation is refuted, than it is rather institutional background conditions like the electoral system and the consequence of a low politicization in such settings of party competition. The pilot character of this study would may invite us to extend this design to more countries (especially to France and to the US) in later periods, and to elaborate in a more detailed way on the time- and context dependent interplay between economic and normative considerations in weapons exports.