Wissen und Peacebuilding. Die epistemische Praxis des Deutschen Bundestages im Kontext von Entscheidungen über Friedens- und Stabilisierungseinsätze in Mali (2013 – 2019)
Projektleiter: Dr. Werner Distler, Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
Projekttyp: Pilotstudie
Fördersumme: 24 Tsd. Euro
Laufzeit: 7 Monate
Wissen und Peacebuilding. Die epistemische Praxis des Deutschen Bundestages im Kontext von Entscheidungen über Friedens- und Stabilisierungseinsätze in Mali (2013 – 2019)
Projektleiter: Dr. Werner Distler, Zentrum für Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
Projekttyp: Pilotstudie
Fördersumme: 24 Tsd. Euro
Laufzeit: 7 Monate
Publikationen
Distler, Werner und Miriam Tekath. 2023. Knowledge and the governing of the interventionary object Mali in the German parliament. European Journal of International Security, S.1-18. Link.
Distler, Werner und Miriam Tekath. 2021. Robuste Mandate, Robustes Wissen? Mali-Mandate im Bundestag (2013-2021), CCS Policy Paper No. 6, Philipps Universität Marburg. Link.
Zusammenfassung
Die Pilotstudie untersucht den Zusammenhang von Wissen und Peacebuilding im Kontext von Entscheidungen des Deutschen Bundestags zur Teilnahme der Bundeswehr an den Friedens- und Stabilisierungseinsätzen MINUSMA (Mission multidimensionelle integrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali) und EUTM (European Union Training Mission) in Mali. Die Parlamentarier*innen verlängern seit 2013 regelmäßig die umfangreichen deutschen Beteiligungen an der Stabilisierung des malischen Staates, der Ausbildung der malischen Armee – und damit auch die Beteiligung an der durchaus umstrittenen Aufstandsbekämpfung / Counterinsurgency-Praxis in Mali. Die Entscheidungen im Bundestag beruhen auf speziellem, in Institutionen (beispielsweise Ministerien) generierten Wissen über die Lage in Mali und die Notwendigkeiten und Ziele der Operationen. Hier setzt das Projekt an: Woher kommt dieses Wissen über Mali, was beinhaltet es, wie wird es in den Routinen parlamentarischer Arbeit vermittelt?
Das Projekt will mit der Untersuchung der Praktiken der Wissensgenese zeigen, welches Wissen über Mali dominiert, bzw. als relevant ausgewählt und im demokratischen Entscheidungsprozess zur Verfügung gestellt wird – und welches Wissen über die Zeit hinweg verschwindet oder keinen Raum erhält. Während vor allem politikwissenschaftliche Studien die Gestaltungs- und Kontrollmöglichkeiten des Bundestages bezüglich Militäreinsätze durchaus lebendig diskutieren, ist bisher in der Friedens- und Konfliktforschung bis auf wenige Ausnahmen kaum untersucht worden, wie Wissen Entscheidungsprozesse in deutschen Institutionen im Kontext von Peacebuilding prägt. Die Analyse wird deshalb – mit Hilfe neuer theoretischer Konzepte (Wissensobjekt und epistemische Praxis) – einen innovativen Beitrag zur Debatte über den Zusammenhang von Wissen und Peacebuilding leisten können. Das Wissensobjekt (hier: Mali) wird verstanden als Fokuspunkt („Problem“) für politisches Handeln. Die epistemische Praxis zur Konstitution dieses Objekts wird definiert als Konfiguration von sprachlichen und körperlichen Aktivitäten, Routinen und Techniken.
Der Datenkorpus besteht hauptsächlich aus 1) Bundestagsdokumenten seit 2013 (Anträge der Bundesregierung, Beschlussempfehlungen der Ausschüsse, Plenumsprotokolle, Anfragen/Antworten; ggf. Dokumente des deutsch-französischen Parlamentsaustauschs) und 2) Transkripten von Leitfaden-gestützten Expert*innen-Interviews. Interviewt werden ausgewählte Abgeordnete, Mitarbeiter*innen des Wissenschaftlichen Dienstes und externe Expert*innen, die in Ausschüssen eingeladen wurden. Die Texte werden mit Hilfe einer Software-gestützten Qualitativen Inhaltsanalyse (MAXQDA) ausgewertet.
Hier geht’s zur Projekthomepage am Zentrum für Konfliktforschung in Marburg.
Abstract
The project analyses the relation of knowledge production and peacebuilding in the German parliament in the context of German military participation in UN and EU peace and stabilization operations in Mali [Mission multidimensionelle integrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali (MINUSMA) and the European Union Training Mission (EUTM)]. Since 2013, the members of parliament extend the mandates on a regular basis, thereby authorizing the support in the stabilization of the Malian state, the training of the Malian army, and the (quite controversial) counter-insurgency practices and operations in the country. Decisions and debates in the parliament base on pre-prepared knowledge by various institutions, e.g. ministries, on the situation in Mali, the necessity for action and the goals of operations. This is the focus of our project: Where does this knowledge come from? What aspects constitute the knowledge, how is it transmitted in the routines of parliamentary work?
With the analysis of practices of knowledge generation, we want to trace which knowledge on Mali dominates, which knowledge is chosen as relevant – and which knowledge disappears or will not be considered at all in the decision-making process. While literature has discussed the role and importance of the German parliament and parliaments in general regarding military operations and peacebuilding mandates, there are very studies focusing on the role of knowledge in this context. Therefore, working with novel theoretical concepts (like knowledge object and epistemic practice) the project offers an innovative contribution to the debates on knowledge and peacebuilding. The knowledge object (here Mali) is understood as focus point or as a “problem” for governing. The epistemic practice constituting this governing object consists of configurations of speech acts and physical activities, routines, and techniques. The data sources for the project are mainly documents of the parliament, debates and protocols, and furthermore transcripts from interviews with members of parliament and internal and external experts. The data will be analyzed with the help of the software MAXQDA.