Instrumentalisierungsresistenz und Friedensengagement – Zur Rolle religiöser Gemeinschaften in innerstaatlichen Konflikten
Prof. Dr. Andreas Hasenclever
Universität Tübingen
14. – 15. September 2007
Prof. Dr. Andreas Hasenclever
Universität Tübingen
14. – 15. September 2007
In vielen Gewaltkonflikten der Gegenwart heizen religiöse Differenzen politische Konflikte an. Auf Sri Lanka bekämpfen sich seit Beginn des vergangenen Jahres wieder buddhistische Singhalesen und vorwiegend hinduistische Tamilen. Den anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak fallen täglich Menschen zum Opfer. In Nigeria liefern sich christliche und muslimische Milizen seit Jahrzehnten erbitterte Kämpfe, welche derzeit in der Plateau-Region besonders blutig sind. Schon diese kurze Aufzählung verdeutlicht, dass es ein wichtiges Ziel von Friedensforschung und Friedenspolitik sein muss, nach geeigneten Mitteln zu suchen, um das Eskalationspotential religiöser Traditionen zu kontrollieren.
Oft wird in diesem Zusammenhang allerdings übersehen, dass aus der Mitte von Religionen immer wieder transnationale Lösungswege für innerstaatliche Konflikte entwickelt worden sind. In Sierra Leone hat ein Zusammenschluss engagierter Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen entscheidend zur Beilegung eines der brutalsten Bürgerkriege des vergangenen Jahrhunderts beigetragen. In Südafrika war der South African Council of Churches unter der Leitung von Desmond Tutu seit den 70er Jahren im gewaltfreien Protest gegen das Apartheidregime engagiert. Die Acholi Religious Leader Peace Initiative (ARLPI) in Uganda ist eine treibende Kraft der derzeitigen Friedensverhandlungen zwischen der Rebellengruppe Lord’s Resistance Army (LRA) und der ugandischen Regierung.
Die Beispiele verdeutlichen die ambivalente Rolle, die religiöse Traditionen in politischen Auseinandersetzungen spielen können: Während sie in manchen Konflikten als Mobilisierungsressource zur Eskalation von Streitigkeiten genutzt werden, erweisen sie sich in anderen als Kräfte des friedlichen Wandels. Trotz der breiten wissenschaftlichen Anerkennung dieser Ambivalenz bleiben zwei wichtige Fragen unbeantwortet: Wie lässt sich die Entfaltung des eskalierenden Potenzials religiöser Traditionen verhindern? Was sind die Voraussetzungen für die Entfaltung des deeskalierenden Potenzials?
Das Ziel der Konferenz besteht darin, einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen zu leisten. Ausgangspunkt bildet dabei der empirische Befund, dass religiöse Unterschiede nur selten als genuine Konfliktursachen wirken. Wirtschaftliche und politische Konflikte eskalieren jedoch schneller und heftiger, wenn es Eliten gelingt, sie mit religiöser Symbolik anzureichern. Hinsichtlich der Ambivalenz religiöser Traditionen ist somit zunächst zu analysieren, unter welchen Umständen religiöse Gemeinschaften in der Lage sind, sich und ihre Überlieferungen vor der Vereinnahmung durch politische Eliten zu schützen. Darüber hinaus, sollen im Rahmen der Konferenz auch die Bedingungen des aktiven deeskalierenden Engagements religiöser Traditionen untersucht werden. Im Vordergrund steht hier die Identifikation von „Trigger“-Faktoren, die religiöse Akteure veranlassen aktiv zu werden, um einen Beitrag zur friedlichen Konfliktbearbeitung zu leisten.
In der ersten Session wird zunächst allgemein auf die Vereinnahmung religiöser Traditionen durch politische Eliten eingegangen, bevor in den folgenden fünf Sitzungen konkrete Gemeinschaften aus den Weltreligionen (Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus und Buddhismus) vorgestellt und hinsichtlich ihrer Instrumentalisierungsresistenz bzw. ihres aktiven friedensfördernden Engagements analysiert werden. Abschließend soll auf das friedensfördernde Potenzial eine religionsübergreifenden Dialogs eingegangen werden.