Problemstellung: Darstellung des Projekts und Fragestellung(en)
Neben den erwarteten Nutzenpotenzialen können eine Reihe von Aspekten der Entwicklung und der Freilassung von Gene Drives Folgen haben, die auf unterschiedlichen Ebenen Konfliktpotenziale bergen. Die Fragen nach möglichen Anwendungsgebieten, den ökologischen Folgen und der Möglichkeit von Eindämmungsmechanismen sind ebenso komplex, wie die Probleme der Regulierung auf nationaler und multilateraler Ebene. Fragen der Verantwortung (inklusive der ethischen Verantwortbarkeit des Nichthandelns) und Haftung müssen geklärt werden – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Gene Drives nicht an Ländergrenzen halten werden und schon bei der Ausbreitung „gutgemeinter“ Effekte verschiedene nationale Strategien und Rechtssysteme miteinander in Konflikt geraten könnten, ganz zu schweigen davon, dass es auch denkbar ist, Gene Drives zu feindseligen Zwecken, also als Biowaffe, einzusetzen.
In diesem Projekt wird durch ein interdisziplinäres Team an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien (Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften, ISR) und an der Universität Hamburg (Carl Friedrich von Weizsäcker Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung) eine Pilotstudie erstellt, in der einige der aufgeworfenen Fragen beantwortet, in der aber vor allem die sich noch anschließenden Probleme identifiziert und strukturiert werden.
Methodische Grundlegung: knappe Umschreibung der Vorgehensweise
In Wien am ISR werden dabei schwerpunktmäßig die technisch-naturwissenschaftlichen Aspekte behandelt. Neben den schon genannten beispielsweise die Frage, welche wissenschaftlich-infrastrukturellen Voraussetzungen für die Entwicklung von Gene Drives notwendig sind und ob es denkbar ist, dass große Terrororganisationen Gene Drives im Verborgenen entwickeln. An der Universität Hamburg hingegen werden die politikwissenschaftlichen und sozio-ökonomischen Fragestellungen im Fokus stehen, etwa ob die bestehenden nationalen und internationalen Vorschriften und Verhaltenskodizes, die die Nutzung von Gentechnologie und den Eingriff in Ökosysteme regulieren bzw. biologische Waffen verbieten, auch den Umgang mit Gene Drives effektiv regeln können. Aber auch die Frage nach den ethischen Implikationen der Ausrottung von Populationen und ggf. Arten soll behandelt werden.
Erwartete Forschungsergebnisse
In der zu erstellenden Pilotstudie werden als Ergebnisse zwar einige der aufgeworfenen Fragen beantwortet werden, in der Mehrzahl der Fälle sollen aber eher Problemstellungen geordnet und zusammengefasst werden und Pfade zur wissenschaftlichen Bearbeitung und Ansatzpunkte für Politikberatung identifiziert werden. Die Ergebnisse sollen nicht nur im Rahmen eines Artikels veröffentlicht werden, sondern sie sollen angesichts der möglichen Relevanz für den Bereich der biologischen Rüstungskontrolle auch im wissenschaftlichen Begleitprogramm einer der Konferenzen im Rahmen des Biowaffenübereinkommens vorgestellt werden.
Literatur
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