„Zukunft der Friedensförderung und Stabilisierung: Wie weiter mit der deutschen Außenpolitik?” – Parlamentarischer Abend
In Zusammenarbeit mit den vier Herausgeberinstituten des Friedensgutachtens richtete die Deutsche Stiftung Friedensforschung nach einer pandemiebedingten Unterbrechung erstmals wieder einen Parlamentarischen Abend in Berlin aus. Das Thema der Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Leibniz-Gemeinschaft Berlin „Zukunft der Friedensförderung und Stabilisierung: Wie weiter mit der deutschen Außenpolitik?” hatte vor dem Hintergrund der politischen Debatten über die Evaluation des Afghanistaneinsatzes, über die Erstellung einer nationalen Sicherheitsstrategie und der Einsetzung einer Enquetekommission zur Zukunft internationaler Einsätze eine hohe Aktualität. Der Vorsitzende des Vorstands der DSF Ulrich Schneckener moderierte den Abend, auf dem zwei Impulsvorträge die Grundlage für die weitere Diskussion boten.
Conrad Schetter vom Bonn International Centre for Conflict Studies zog eine kritische Bilanz der westlichen Afghanistanintervention: Trotz eines immensen Einsatzes an militärischen und zivilen Kräften sowie Milliardenbeträgen an finanzieller Unterstützung sei die Mission kläglich gescheitert. Der von chaotischen Zuständen begleitete Abzug im August letzten Jahres stehe sinnbildlich für die Versäumnisse und Fehleinschätzungen während des 20-jährigen Engagements. Die anstehende ressortübergreifende Evaluation, an der sich das BMVg bedauerlicherweise nicht beteilige, könne wichtige Erkenntnisse für künftige internationale Beteiligungen hervorbringen. Schetter zog aus seiner jahrelangen Forschung zu Afghanistan sechs zentrale Lehren. Es sei erstens nicht sinnvoll, mehrere militärische Missionen mit unterschiedlichen Zielen gleichzeitig durchzuführen. Diese müssten zudem zeitlich begrenzt werden, weil ihre Akzeptanz schnell abnehme. Zweitens sei auf eine zielgerichtete und koordinierte Abstimmung der Aufgabenbereiche der eingesetzten Akteure, z. B. Militär und zivile Organisationen, zu achten. Von politischer Seite würden die Einsätze drittens mit zu vielen Legitimationszwecken überfrachtet, um die Unterstützung der Bevölkerung vor Ort und im eigenen Land zu gewinnen. Dies verbaue die erforderliche Exitoption. Viertens sollte der Westen darauf verzichten, ein social engineering zu betreiben, denn ein tragfähiger Wandel könne nur aus dem Inneren der örtlichen Gesellschaft gelingen. Auch Demokratie könne nicht verordnet werden. Unabdingbar sei fünftens eine umfassende Analyse der historischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Nur auf dieser Grundlage sei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich. Und letztendlich habe die Politik durch eine geschönte Kommunikation auch das Vertrauen in der eigenen Bevölkerung verloren. Die nun anlaufende Debatte über die Ausgestaltung einer nationalen Sicherheitsstrategie biete eine große Chance, angemessene Schlussfolgerungen zu künftigen internationalen Einsätzen zu ziehen.
Ursula Schröder, Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, hob in ihrem Beitrag den anhaltend großen Bedarf an internationalem friedenspolitischem Engagement hervor. Der Trend gehe jedoch in eine andere Richtung. So sei seit 2014 keine neue Friedensmission mehr beschlossen worden, auch die Aktivitäten im Bereich des Peacekeeping seien rückläufig. Darüber hinaus sei ein Schrumpfen der jeweiligen Agenda zu beobachten, was auch auf Budgetreduktionen zurückzuführen sei. Gleichzeitig sei ein negativer Konflikttrend festzustellen. Die Zahl von Bürgerkriegen habe deutlich zugenommen, in vielen Fällen seien Gewaltkonflikte wieder neu aufgeflammt. Sie hätten eine längere Dauer und forderten mehr Todesopfer. Die COVID19-Pandemie verstärke diese Entwicklungen. Die internationale Friedenssicherung könne jedoch nicht wie bisher fortgeführt werden, sondern müsse Antworten auf die Fragen finden, was richtig und falsch gemacht worden sei und an welchen Stellen sie neu justiert werden müsse. Das UN-Peacekeeping habe zwar einen schlechten Ruf und sei mit Aufgaben überfrachtet. Wie neuere empirische Untersuchungen gezeigt hätten, lasse sich jedoch eine durchaus positive Wirkbilanz ziehen. Deutlich weniger erfolgreich verliefen die Missionen, die den Staatsaufbau zum Gegenstand hätten. Auch die Stabilisierungsmissionen wie z. B. in Mali und der zentralafrikanischen Republik zeigten allenfalls kurzfristig gute Ergebnisse. Ihnen fehle jedoch die staatliche Legitimität, weshalb keine nachhaltige Entwicklung zu beobachten sei. Die Friedensförderung müsse künftig anders organisiert werden, wenn ihre Erfolgschancen verbessert werden sollen. Sie müsse künftig besser auf die lokale Ebene abgestimmt werden, damit die örtliche Bevölkerung eine Prozessverantwortung übernehmen könne. Dies erfordere eine eingehende Prüfung zur Erreichbarkeit der Ziele und zu möglichen Zielkonflikten. Dazu gehöre auch eine Reflexion darüber, was internationale Interventionen zu leisten vermögen. Hierfür stehe aus der Friedens- und Konfliktforschung ein umfangreicher Instrumentenkasten bereit, den die Politik für ihre künftigen Strategien zu Rate ziehen könne.
Das Programm des Parlamentarischen Abends finden Sie bereits hier online.