The Persistence of Evil: Analyzing Long-Term Transmissions of Justifications for Mass Violence
Projektleitung: Prof. Dr. Juliane Prade-Weiss, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Forschungsnetzwerk (Förderbereich 2: Vernetzung und Wissenstransfer)
Fördersumme: 25 Tsd. Euro
Laufzeit: 24 Monate
The Persistence of Evil: Analyzing Long-Term Transmissions of Justifications for Mass Violence
Projektleitung: Prof. Dr. Juliane Prade-Weiss, Ludwig-Maximilians-Universität München
Projekttyp: Forschungsnetzwerk (Förderbereich 2: Vernetzung und Wissenstransfer)
Fördersumme: 25 Tsd. Euro
Laufzeit: 24 Monate
Zusammenfassung
Leitfragen und Ziele des Vorhabens: Massengewalt ist in Umfang, Intensität und Komplexität die extremste Konfliktform, und sie tritt im 21. Jahrhundert in alarmierendem Ausmaß wieder auf, von Afghanistan über den Nahen Osten, die Ukraine, den Sudan bis nach Myanmar. Während die von den Tätern vorgebrachten Rechtfertigungen für Massengewalt in Politik, Medien und Forschung oft als bloße Vorwände abgetan werden, die von Tatsachen ablenken, sind die von Regimen und Gruppen kommunizierten Gründe für die Anwendung von Massengewalt ent-scheidend, um gesellschaftliche Unterstützung zu erlangen. Rechtfertigungen als leere Floskeln abzutun, führt zu einer großen Wissenslücke: Wir wissen zu wenig darüber, wie Rechtfertigun-gen sich in Gesellschaften verbreiten und wie sie nach Konflikten verhandelt werden. Das For-schungsnetzwerk konzentriert sich auf die Persistenz von Rechtfertigungen von Massengewalt. Sie zirkulieren auch dann noch, wenn einzelne Täter vor Gericht gestellt wurden, werden oft weithin akzeptiert und über Raum und Zeit hinweg weitergegeben. Ziel des Netzwerks ist es, zu verstehen, wie Texte, Terminologien, Begriffe, Erzählmuster und rhetorische Mittel zur Rechtfer-tigung von Massengewalttaten in und zwischen Sprachen und Kulturen in langfristiger Perspek-tive zirkulieren und wie sie verschiedenen Genres und Diskursen angepasst werden. Wie bezie-hen sich Rechtfertigungen auf geschichtliche, religiöse und kulturelle Rahmenbedingungen? Wie werden Rechtfertigungen im kulturelle Gedächtnis von Massengewalt kritisiert, variiert, über-nommen oder gar normalisiert? Auf welchen Wegen wird die Sprache, die Massengewalt recht-fertigt, auf andere Regionen, Kulturen und Epochen übertragen?
Relevanz für die Friedens- und Konfliktforschung und Originalität des Vorhabens: Der Ansatz ist mit mehreren gegenwärtigen Forschungssträngen vereinbar und bietet das Potenzial für neue Er-kenntnisse, da er auf Lücken eingeht, auf die in letzter Zeit hingewiesen wurde. In der Geschichts-wissenschaft sind ist die globale Verbreitung von Rechtfertigungen von Massengewalt kürzlich in den Fokus gerückt. Bisher werden Rechtfertigungen unterteilt in die juristischen Kategorien nachträglicher Rationalisierungen einerseits und vorbereitender Legitimierung andererseits; das Netzwerk erweitert die Komplexität der Analyse, indem es die Ansprache heterogener Publi-kumsgruppen berücksichtigt. Neuere politikwissenschaftliche Forschung legt nahe, dass Recht-fertigungen an weithin verbreitete Argumente und kulturelle Institutionen anknüpft, um eine breite Akzeptanz zu ermöglichen. Friedens- und Konfliktforschung weist darauf hin, dass kultu-relle Variablen eine Lücke im Verständnis von Gesellschaften nach Konflikten darstellen. Das
Netzwerk betrachtet Schlüsselbereiche des kulturellen Kanons, in denen Rechtfertigungen for-muliert, verhandelt und weitergegeben werden: Geschichtsschreibung, Recht, politische Propa-ganda, religiöse Texte, literarische Fiktion und populäre Medien. Das Netzwerk knüpft damit auch an psychosoziale Perspektiven zur transgenerationalen Weitergabe der Folgen von Viktimi-sierung und Täterschaft an. Innovativ ist der Ansatz, da er sich auf die zeitliche und räumliche Weitergabe von Rechtfertigungen in einem interdisziplinären Ansatz konzentriert, um zu unter-suchen, wie in gegenwärtigen Konflikten Geschichte, Religion und Kultur zu Propagandawaffen werden.
Konzeption des Projektes: 20 Netzwerkmitglieder aus den Geschichts-, Politik-/Sozial-, Rechts- und Geisteswissenschaften sowie aus Praxisfeldern der humanitären Hilfe, Bildung, des interreligiö-sen Dialogs und des öffentlichen Gedenkens treffen sich in 3 Vor-Ort- und 6 Online-Workshops, um einen methodischen Rahmen für die weitere Forschung und konkrete Transferformate zu entwickeln.
Erwartete Ergebnisse und Praxisrelevanz: Die erwarteten Ergebnisse des Forschungsnetzwerks sind:
a) ein interdisziplinäres, internationales Kooperationsnetzwerk, um in Folgeprojekten langfris-tige Übertragungen von Rechtfertigungen von Massengewalt in verschiedenen globalen Regio-nen zu untersuchen;
b) Kooperationsstrategien mit Akteuren aus der Praxis, die Erkenntnisse in neue Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit Rechtfertigungen von Massengewalt in Politik, Medien und Bildung umsetzen;
c) der Sammelband The Persistence of Evil.
Abstract
Objective & aims: Mass violence is by scope, intensity, and complexity the most extreme form of conflict, and it is reoccurring at an alarming scale in the 21st century, from Afghanistan, the Middle East, Ukraine, Sudan, to Myanmar. While justifications for mass violence given by perpetrators are often dismissed, in politics, media, and research, as mere pretexts distracting from facts, the reasons regimes and groups communicate for committing mass violence are crucial for eliciting societal support. Dismissing justifications as empty talk entails a major knowledge gap: we know too little about how justifications travel through societies, and how they are negotiated after conflicts. The research network focuses on the persistence of justifications of mass violence. They still circulate after individual culprits are brought to justice, often become widely accepted, and are transmitted over space and time. The objective of the network is to understand how texts, terminologies, concepts, narrative patterns, and rhetorical devices that seek to justify acts of mass violence circulate in and between languages and cultures in long-term perspective, and how they are adapted in different genres and discourses. How do justifications reference historical, religious, and cultural precepts? How are justifications criticized, varied, adopted, or even normalized in mass violence commemoration? Due to which alleys and dynamics is the language justifying mass violence transmitted to other regions, cultures, and epochs?
Relevance & originality: The approach is compatible with several research strands and has the potential for new findings as it addresses lacunas that have recently been pointed out. In history, justifications have recently come into focus, suggesting an often global dissemination. The network adds complexity to the analysis of justifications which are, so far, divided into the legal categories post facto rationalizations and pre-perpetration authorization, by taking the address of a heterogeneous audience into account. Recent political science research suggests that justifications capitalize on familiar arguments and institutions, which makes it possible that they become widely accepted. Peacebuilding research points out that cultural variables are a lacuna in understanding post-conflict societies. The network considers intersecting key areas of the cultural canon as negotiating justifications: historiography, law, political propaganda, religious texts, literary fiction, and popular media. It ties in with psycho-social perspectives on transgenerational transmissions of aftermaths of victimization and perpetration. The novelty of the approach is to focus on transmissions of justifications over space and time in an interdisciplinary approach to address the weaponization of history, religion, and culture that stand out in current conflicts.
Network conception: 20 network members from the fields of history, political/social sciences, law, and humanities as well as from fields of practice in humanitarian aid, education, interreligious dialogue, public memory meet in 3 onsite and 6 online workshops to develop a methodological framework for further research and concrete transfer formats.
Expected results: The expected outcomes of the research network are:
a) a robust interdisciplinary, international collaborative network for outlining long-term transmissions of justifications of mass violence in different global regions in subsequent projects;
b) cooperation strategies with stakeholders in fields of practice that transfer insights into new actions to address justifications of mass violence in policymaking, media, and education;
c) the edited volume The Persistence of Evil.