Publikationen
Stroh, Philipp (2016): Humanitär–völkerrechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz luftgestützter unbemannter militärischer Kampfsysteme im bewaffneten Konflikt. Forschung DSF No. 40. Osnabrück: Deutsche Stiftung Friedensforschung. Zur Publikation.
Marauhn, Thilo (2011): Der (quasi-)polizeiliche Einsatz von Aufklärungsdrohnen jenseits der eigenen Staatsgrenzen. In: Humanitäres Völkerrecht Informationsschriften Vol. 24 (02), 128-131. Zur Publikation.
Stroh, Philipp (2011): Der Einsatz von Drohnen im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. In: Humanitäres Völkerrecht Informationsschriften Vol. 24 (02), 73-76. Zur Publikation.
Zusammenfassung
Unbemannte Systeme (UMS) sind bei Streitkräften als Aufklärungsflugzeuge seit etwa drei Jahrzehnten im Einsatz. Etwa 50 Länder produzieren heute unbemannte Luftfahrzeuge, 20 exportieren sie. Von Kleinflugzeugen mit einer Reichweite von einigen Kilometern bis hin zu einigen wenigen großen Systemen, die 24 Stunden und länger in der Luft bleiben und 10.000 km (und zurück) fliegen können, existieren alle denkbaren Varianten. Einsatzszenarien für UMS sind sowohl militärischer als auch ziviler Natur, internationale Polizeioperationen bieten ebenfalls attraktive Verwendungsmöglichkeiten in Aufklärung und Observation.
Dieser enorm ansteigenden Bedeutung von UMS zum Trotz, existiert bisher noch keine systematische, wissenschaftliche Untersuchung der Thematik. Das vorliegende Projekt schließt diese Lücke und setzt sich aus völkerrechtlicher Sicht mit den Regeln zum Einsatz von UMS auseinander und analysiert erstmalig umfassend den Stand der Regelungsdichte. Humanitärvölkerrechtliche und völkerrechtliche Vertragswerke sowie Völkergewohnheitsrecht stehen im Brennpunkt der Untersuchung.
Gerade im humanitären Völkerrecht stellen sich beim Einsatz von UMS Fragen unterschiedlicher Natur. Zwar kommt eine grundsätzliche Einsatzbeschränkung für UMS aufgrund genereller Unvereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht wohl nicht in Betracht. Insbesondere im Hinblick auf eine eventuelle Teilautomatisierung von Angriffen und auf die große Distanz zwischen dem Ort der Steuerung des Systems und dem Ort des Erfolgs des Angriffs sind, Kollisionen mit dem humanitären Völkerrecht jedoch nicht auszuschließen.
Die Teilautomatisierung von Angriffsprozessen, vor allem eine von einer künstlichen Intelligenz getroffene Entscheidung, ob ein Ziel anvisiert wird oder nicht, könnte dem humanitärvölkerrechtlichen Unterscheidungsgebot aus Artikel 51 Abs. 4 des ersten Zusatzprotokolls (ZP) der Genfer Konventionen (GK) entgegenstehen. Die Vorschrift verbietet unterschiedslose Angriffe. Der Begriff des unterschiedslosen Angriffs wird wie folgt näher definiert: „Unterschiedslose Angriffe sind
a) Angriffe, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden,
b) Angriffe, bei denen Kampfmethoden oder -mittel angewendet werden, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden können, oder
c) Angriffe, bei denen Kampfmethoden oder -mittel angewendet werden, deren Wirkungen nicht entsprechend den Vorschriften dieses Protokolls begrenzt werden können
und die daher in jedem dieser Fälle militärische Ziele und Zivilpersonen oder zivile Objekte unterschiedslos treffen können.“
Hier stellen sich zahlreiche Fragen, die auch daraus resultieren, dass sich die Rahmenbedingungen eines Einsatzes zwischen dem Beginn des Einsatzes unbemannter Systeme (regelmäßig der relevanten Handlung) und dem Eintreffen am Zielort (dem relevanten Erfolg), gerade bei einer großen Distanz zwischen Handlungsort und Zielort, verändern können. Inwieweit sind unbemannte Systeme tatsächlich in der Lage, darauf zu reagieren, dass ein ursprünglich militärisches Objekt nicht mehr angegriffen werden darf, weil sich sein Status verändert hat? Kann künstliche Intelligenz darauf reagieren, dass sich im Zielgebiet des unbemannten Systems eine neue Konstellation hinsichtlich der Zivilbevölkerung oder ziviler Objekte ergeben hat? Welche zeitlichen Rahmenbedingungen gelten für Veränderungen zwischen Handlung und Erfolg?
Weitgehend keine Beachtung in der einschlägigen Literatur fand bisher die Rechtstellung des Steuerers und der Bodenstation von UMS. Oftmals wird für diese Aufgaben Personal eingesetzt, welches nicht in die Streitkräfte eingegliedert ist. Ob sich daraus Wechselwirkungen mit dem ius ad bellum ergeben könnten, ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung.
Beim Einsatz von UMS für Aufklärungszwecke wiederum ist u.a. zu ermitteln, welche spezifischen Vorsichtsmaßnahmen im Hinblick auf mögliches technisches Versagen zu treffen sind, um Verstöße gegen das Unterscheidungsgebot zu vermeiden. Der bisher nicht einheitlich gehandhabte Begriff des unbemannten militärischen Luftfahrzeugs bedarf dabei einer genauen Definition, Kennzeichnungspflichten aus Kriegs- und Friedensvölkerrecht werden identifiziert und auf UMS projiziert.
Das Projekt wird sich nicht auf reine Forschungsarbeit beschränken. Akteure aus Politik, Wirtschaft und aus den Streitkräften sowie einschlägig tätige NGOs werden für die Erarbeitung von Ergebnissen eingebunden, zwei Workshops mit einem internationalen Teilnehmerfeld sichern dabei einen differenzierten Diskurs.
Finales Ziel des Projektes ist es, einen rechtlichen Beitrag zur internationalen Diskussion um den Einsatz unbemannter militärischer Luftfahrzeuge zu liefern, Regelungslücken zu identifizieren und Vorschläge zur (humanitär-) völkerrechtlichen Einordnung anzureichen.