Wie kommt das Ende der Gewalt? Auseinandersetzung mit einem Ansatz theologischer Friedensethik im Anschluss an René Girard
Forschungseinrichtung: Katholische Akademie Hamburg
Zeitraum: 14. November 2009
Forschungseinrichtung: Katholische Akademie Hamburg
Zeitraum: 14. November 2009
Gerhard Beestermöller: Wie kommt das Ende der Gewalt?
Auseinandersetzung mit einem Ansatz theologischer Friedensethik im Anschluss an René Girard
Nach allgemeinem Urteil hängt Entscheidendes für die Zukunft des Friedens davon ab, wie sich die Religionen zu ihm verhalten. Werden sie in fundamentalistischer Manier gewaltsam alles bekämpfen, was sie als widergöttlich erfassen, oder werden sie in der Gesinnung und der Denkungsart der Menschen jene fähig zum Frieden bereiten, ohne die jede Friedenspolitik immer schon zu spät kommt?
Im Blick auf den 11. September 2001 sowie die verfahrene und fast ausweglos erscheinende Situation im Nahen Osten sehen viele die Religionen, insbesondere die durch einen strengen Monotheismus ausgezeichneten biblischen Religionen, auf der Anklagebank. Insofern steht auch das Christentum unter Anklage. Dies hat zu vielen Verteidigungsanstrengungen geführt. Hier haben insbesondere theologische Ansätze Beachtung gefunden, die die biblische Botschaft vom Sühneopfer Jesu Christi am Kreuz im Licht der von René Girard entwickelten Kulttheorie interpretieren. Folgt man diesen Ansätzen, dann wird das Grundproblem menschlichen Zusammenlebens, nämlich die nicht enden wollenden Ausbrüche zerstörerischer Gewalt, zu dessen Bewältigung Kultur überhaupt entsteht, erst durch den Kreuzestod Jesu Christi einer Lösung zugeführt. Erst das am Kreuz völlig unschuldige leidende Opfer von Gewalt, deckt den Schleier auf, der über der Entstehung von Gewalt und deren Ableitung im Sühneopfer liegt. Erst in der Nachfolge Jesu ist Gewaltüberwindung möglich. Die Welt als solche kann also keinen beständigen Frieden finden, sondern muss in Kirche bekehrt werden.
Dieses neue Paradigma der Friedensethik steht allerdings in einem gewissen Gegensatz zur traditionellen Friedensethik der christlichen Großkirchen. Auch hier gilt zwar das Christentum als eine neue Kraft des Friedens, was aber nicht bedeutet, dass ein gewaltfreies Zusammenleben in einer säkular organisierten, tragfähigen Friedensordnung nicht möglich wäre. Theologisch ruht dieser Friede auf den von der Sünde nicht zerstörten Spuren der guten Schöpfung, die ‚so etwas wie Frieden‘ (Augustinus) in der Welt ermöglichen.
Beide Paradigmen stoßen recht unvermittelt in dem von den Deutschen Bischöfen 2000 vorgelegtem Wort ‚Gerechter Friede‘ aufeinander. Während auf diese Spannung wiederholt hingewiesen wurde, hat bisher ein intensiver Dialog zwischen den Vertretern der beiden Ansätze nicht stattgefunden. Dies ist insofern erstaunlich, als sich der Streit im Kern dessen bewegt, worum es in der Friedensbotschaft Jesu Christi geht, und was sie für den politischen Frieden bedeutet. Den hier notwendigen Dialog will die Tagung anstoßen. Sie wird sich auf den innerkatholischen Dialog beschränken, wiewohl es sich um ein ebenso ökumenisches Anliegen handelt.
Die Tagung wird von der Katholischen Akademie und dem Institut für Theologie und Frieden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) am 14.11. 2009 veranstaltet.
How will violence end?
A critical appraisal of an approach of theological peace ethics according to René Girard
According to general verdict the attitudes of the religions to peace are decisive for its future. Are they going to violently challenge everything they consider against God in true fundamentalist fashion, or will they recognize the beliefs and the way of thinking of those people who are capable of peace and without whom any peace policy always comes too late?
In view of September 11, 2001 and the deadlock in and almost hopeless nature of the situation in the near East many view the religions, and in particular the biblical religions which are characterized by strict monotheism, as standing trial. From that point of view Christianity is also on trial. This has led to a lot of effort on the part of the defense. In particular theological approaches which interpret the biblical message of the expiatory sacrifice of Jesus Christ on the cross in the light of the cult theory developed by René Girard have attracted attention here. According to these approaches a solution to the basic problem of human coexistence, namely the neverending eruptions of destructive violence, to overcome which culture emerges in the first place, was only brought about thanks to the crucifixion of Christ. It was the entirely innocent victim of violence suffering on the cross who lifted the veil over the emergence of violence and its diversion in expiatory sacrifice. It is only for the followers of Jesus that overcoming violence is possible. The world as such is thus unable to find permanent peace, but must be converted in church.
However this new paradigm of the peace ethic in a sense contradicts the traditional peace ethics of the major Christian churches. Although Christianity is considered a new force for peace here, this does not mean that a violence-free coexistence would not be possible in a secularly organized sustainable blueprint for peace. Theologically this peace rests on the vestiges of good creation not destroyed by sin, which permit ’something like peace’ (St. Augustine) in the world.
The two paradigms collide quite unexpectedly in the idiom ’just peace’ put forward by the German bishops in 2000. Although this tension has been referred to time and again to date there has been no intense dialog between the representatives of the two approaches. This is surprising as the heart of the conflict concerns the meaning of the peace message of Jesus Christ and what it means for political peace. The conference wishes to trigger this essential dialog. It will restrict itself to inner-Catholic dialog although it is also an ecumenical concern.
The conference on November 14, 2009 will be hosted by the Catholic Academy and the Institute for Theology and Peace in collaboration with the Work Group of Christian Churches in Germany (ACK).