Wer hat Angst vor Normativität? 40 Jahre Historische Friedens- und Konfliktforschung
Projektleiterin: Dr. Arvid Schors, Universität zu Köln
Projekttyp: Strategietagung (Förderbereich 3)
Fördersumme: 27 Tsd. Euro
Veranstaltung: Köln, 21. bis 22. November 2024
Wer hat Angst vor Normativität? 40 Jahre Historische Friedens- und Konfliktforschung
Projektleiterin: Dr. Arvid Schors, Universität zu Köln
Projekttyp: Strategietagung (Förderbereich 3)
Fördersumme: 27 Tsd. Euro
Veranstaltung: Köln, 21. bis 22. November 2024
Zusammenfassung
Die Historische Friedens- und Konfliktforschung (HFKF) und der 1984 gegründete Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung (AKHF) haben ihre Wurzeln in der Friedensbewegung sowie der normativ ausgerichteten und gegenwartsorientierten Friedens- und Konfliktforschung der 1980er Jahre. Seither gilt eine am Friedensideal orientierte Normativität als ihr zentrales Merkmal, das sie von anderen geschichtswissenschaftlichen Perspektiven und Ansätzen unterscheidet. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig dieses spezifische Merkmal der HFKF bisher Gegenstand einer kritischen Selbstreflexion war. Gleichzeitig gilt festzuhalten, dass diese Normativität nur auf den ersten Blick eine Konstante der HFKF darstellt. Einerseits beginnt die Geschichtswissenschaft gerade, die Historizität des Friedensbegriffs in den Blick zu nehmen und somit auch die Wandelbarkeit ihrer zentralen normativen Kategorien zu thematisieren. Andererseits kommt die HFKF mit immer neuen Forschungsfeldern, -ansätzen und -methoden in Berührung, die ihre ganz eigene Normativität einbringen, etwa die gender studies oder die postcolonial studies.
Ausgehend von diesen Beobachtungen zielt die Konferenz aus Anlass des 40jährigen Bestehens des AKHF darauf ab, einen grundsätzlichen Reflexionsprozess über die Rolle der Normativität in der Historischen Friedens- und Konfliktforschung anzustoßen. Folgende Fragen sollen anhand konkreter empirischer Beispiele im Zentrum stehen:
- Wie prägen unsere Untersuchungsgegenstände, Methoden und Ansätze unser Verständnis von Frieden?
- Inwiefern liegen unseren empirischen Forschungen normative Leitkonzepte von Frieden zugrunde?
- Welche unterschiedlichen normativen Friedensvorstellungen lassen sich auf den für die HFKF einschlägigen Forschungsfeldern identifizieren?
- Inwiefern lassen sich Fragestellungen und Forschungsergebnisse als Impulse deuten, um Handlungsoptionen zur Bewältigung von Konflikten in der Gegenwart aufzuzeigen?
Die Konferenz will die HFKF aus ihrer Europazentriertheit lösen und regional erweitern. Ziel ist es zugleich, Epochen jenseits der Neueren und Neuesten Geschichte stärker einzubeziehen. Deshalb wurden drei einschlägige Themenfelder definiert, die ein möglichst breites Spektrum abdecken und die anschlussfähig sind für Expert*innen, die zu unterschiedlichen Weltregionen und Epochen arbeiten.
Das erste Feld behandelt Normen und Werte, die die Geschichtsschreibung zu Fragen des Militärischen (mit)bestimmen. Es will die Rolle eines normativen Friedensbezugs bei der Historisierung von Kriegsführung zur Diskussion zu stellen und mit jüngsten Ergebnissen der HFKF verknüpfen. Mit Blick auf eine primär sozialwissenschaftlich orientierte sicherheitspolitische Forschung zielt das Panel darauf ab, die Relevanz historischer Tiefenschärfe für gegenwärtige Debatten über Krieg und Frieden stärker zu betonen.
Das zweite Themenfeld widmet sich den Übergängen von Krieg zu Frieden und fragt nach normativen Friedensplanungen zeitgenössischer Akteur*innen sowie nach den ihnen zugrunde liegenden Werten und Zukunftsvorstellungen. Andererseits soll auch die Frage gestellt werden, in welcher Verbindung diese zeitgenössischen normativen Projekte zu der rückblickenden historischen Wissensproduktion stehen.
Das dritte Themenfeld thematisiert die Erinnerung an Kriege und fragt danach, inwiefern erinnerungspolitischen Konflikten unterschiedliche Auffassungen vom Frieden zugrunde liegen. Inwiefern also ist es angesichts des Erstarkens geschichtsrevisionistischer Kräfte Aufgabe der Forschung, verstärkt an einer am Frieden orientierten Erinnerung festzuhalten? Oder läuft sie dadurch nicht vielmehr Gefahr, die Chance auf einen differenzierteren und kritischeren Umgang mit Erinnerung zu vergeben?
Abstract
Historical Peace and Conflict Studies (HFKF) and the Historical Peace and Conflict Research Working Group (AKHF), founded in 1984, have their roots in the peace movement and the normative and present-oriented peace and conflict research of the 1980s. Since then, its central characteristic has been a normativity oriented towards the ideal of peace, which distinguishes it from other historical perspectives and approaches. It is therefore all the more astonishing how little this specific characteristic of HFKF has been the subject of critical self-reflection to date. At the same time, it should be noted that this normativity only appears to be a constant of HFKF at first glance. On the one hand, historiography is just beginning to focus on the historicity of the concept of peace and thus also on the changeability of its central normative categories. On the other hand, HFKF is constantly coming into contact with new fields, approaches and methods of research that bring their very own normativity to the table, such as gender studies or postcolonial studies.
Based on these observations, the conference on the occasion of the 40th anniversary of the AKHF aims to initiate a fundamental process of reflection on the role of normativity in historical peace and conflict research. The following questions will take center stage on the basis of concrete empirical examples:
- How do our objects of study, methods and approaches shape our understanding of peace?
- To what extent is our empirical research based on normative guiding concepts of peace?
- What different normative concepts of peace can be identified in the research fields relevant to the HFKF?
- To what extent can questions and research findings be interpreted as impulses for identifying options for action to overcome conflicts in the present?
The conference aims to overcome the European-centricity that is characteristic of HFKF and expand it regionally. At the same time, the aim is to include epochs beyond modern and contemporary history to a greater extent. For this reason, three relevant thematic fields have been defined that cover as broad a spectrum as possible and are accessible to experts working on different world regions and eras.
The first field deals with norms and values that determine the historiography of military issues. It aims to discuss the role of a normative reference to peace in the historicization of warfare and link it to the latest findings of the HFKF. With a view to security policy research that is primarily oriented towards the social sciences, the panel aims to emphasize the relevance of historical depth for current debates on war and peace.
The second topic area is dedicated to the transitions from war to peace and examines the normative peace plans of contemporary actors as well as the values and visions of the future on which they are based. On the other hand, the question of how these contemporary normative projects relate to retrospective historical knowledge production will also be asked.
The third thematic field deals with the rememberance of wars and asks to what extent conflicts in the politics of memory are based on different perceptions of peace. In view of the strengthening of historical revisionist forces, to what extent is it the task of research to adhere more strongly to a peace-oriented remembrance? Or does it not rather run the risk of missing the opportunity for a more differentiated and critical approach to remembrance?