Zusammenfassung
Dieses Projekt untersucht die Auswirkung derzeitiger globaler Kräfteverschiebungen auf die Regeln und Praxis politisch-militärischer Interventionen zur Stabilisierung, Gewaltverhinderung oder Friedenskonsolidierung. Als Pilotstudie soll es als Grundlage für ein größer angelegtes Forschungsprojekt dienen; dieses soll ermitteln, inwiefern sich bisherige Erkenntnisse und die gegenwärtige Praxis infolge der Involvierung von Schwellenländern verändern und welche Auswirkung dies für unser theoretisches Verständnis von Interventionen und Friedensmissionen hat. Ist der westliche geführte Export eines „liberalen Friedens“ an sein Ende gelangt oder werden Schwellenländer vielmehr bereits im Sinne dieses Projektes sozialisiert? Erleben wir den Beginn eines Normenkonflikts und divergierender geopolitischer Interessen? Und wenn dem so ist, welche theoretischen Instrumente benötigen wir zu dessen Verständnis?
Hintergrund
Friedensmissionen sind weiterhin die umfangreichsten und global anerkanntesten Instrumente zur Konfliktbewältigung und Eindämmung von Gewalt. In jüngerer Zeit gewinnen dabei eine Reihe von Ländern mit regionalen und globalen Führungsansprüchen rapide an Einfluss – nicht nur durch die Bereitstellung von Truppen, sondern auch durch wachsenden Einfluss auf ihre politische Steuerung. Diese Rolle ist vor allem im Rahmen bereits bestehender Missionen der Vereinten Nationen sichtbar und wird auch in einem regionalen und subregionalen Kontext, wie beispielsweise bei Einsätzen der Afrikanischen Union, immer deutlicher. Dies belegen Beispiele wie die wachsende Beteiligung Chinas an Einsätzen der Vereinten Nationen in Mali und Südsudan, Brasiliens Initiative ‘Responsibility while Protecting‘ und Indiens selbstbewusste Kritik am westlichen Monopol auf die Ausgestaltung von UN-Sicherheitsratsmandaten.
In der bestehenden empirischen Forschung zum Wandel der Rollen und Ambitionen von Schwellenländern bleibt unklar, welche Konsequenzen ihre wachsende Beteiligung für die Normen und die Praxis von Friedenseinsätzen hat. Diese Frage hat bislang kaum akademische Aufmerksamkeit erfahren. Die meisten Studien in diesem Bereich konzentrieren sich auf einzelne Länder und/oder Missionen und lassen zudem eine Makrobetrachtung der Rolle von Schwellenländern auf globaler Ebene vermissen. Das vorgeschlagene Projekt soll diese Lücke füllen, indem es einen analytischen Ansatz über einzelne Ländergrenzen und Regionen hinweg verfolgt.
Dabei sollen (1) die Rolle verschiedener Schwellenländer in Bezug auf die globale Sicherheitspolitik und Interventionen, (2) die Gegensätze und Konflikte innerhalb dieser Schwellenländer sowie (3) deren kollektiver Einfluss auf die globalen Normen und Praktiken von Friedensmissionen untersucht werden. Das Projekt soll weiterhin die theoretische Lücke in der existierenden Literatur über Friedensmissionen bearbeiten, indem es relevante empirische Trends bei Friedensmissionen mit zwei vielversprechenden Literaturansätzen zu Normen in den Internationalen Beziehungen zu postkolonialen und kritischen Perspektiven auf Sicherheit verknüpft. Um die Rolle von lokalen Akteuren, Innenpolitik und innerstaatlichen Gesetzen sowie deren Interaktion mit den internationalen Strategien von Schwellenländern zu verstehen, werden Konzepte wie die Umstrittenheit (contestation) und die Lokalisierung (localization) von Normen sowie kritische Perspektiven auf die Rolle aufstrebender Mächte herangezogen.
Projektdesign und Output
Das viermonatige Projekt verfolgt das Ziel, die Grundlage für eine neue Forschungsagenda zu legen. Hierzu soll der Forschungsschwerpunkt auf den Globalen Süden und die Rolle von Schwellenländern hinsichtlich der Herausbildung von und kritischen Auseinandersetzung mit existierenden Normen und Praktiken von Friedensmissionen gelegt werden. Diese Studie soll hierzu zweierlei beitragen: (a) Einen grenzübergreifenden Literaturüberblick, einschließlich Literatur über internationale Beziehungen (norm contestation, localization, Governance von Friedensmissionen), kritische Sicherheitsstudien (Zentrum-Peripherie-Dynamik) und postkoloniale Studien. (b) Die Entwicklung von Typologien mittels derer die Rolle und der kollektive strukturelle Einfluss von Schwellenländern theoretisch erfasst werden kann. Das Projekt sieht einen Experten-Workshop in Berlin, eine theoretisch ausgerichtete Publikation und einen Forschungsvorschlag für ein internationales Forschungskonsortium vor. Letzteres soll die hier aufgeworfenen Fragen weiter in einem mehrjährigen gemeinsamen Projekt unter Einbindung von Partnern aus dem Globalen Süden verfolgen.
Praxisrelevanz
Dieses Projekt ist zudem auch von unmittelbarer praktischer Bedeutung, da es das Verständnis der sich ändernden Natur politisch-militärischer Interventionen durch die zunehmende Teilhabe von Schwellenländern des Globalen Südens erleichtert und vertieft. Das Projekt wird unter anderem wichtige Fragen zum Einsatz von Gewalt, zum Souveränitätsprinzip und den Folgen des Einsatzes von Truppen aus Ländern mit schwerwiegenden Menschenrechtsdefiziten aufwerfen. Diese Fragen sind von hoher Relevanz für politische Entscheidungsträger sowohl im Globalen Norden als auch im Globalen Süden.
DSF Pilot Grant
Changing World, Changing Interventionism? Theorizing Peace Operations and the Impact of Emerging Powers from the Global South
Abstract
This project investigates the impact of current global power shifts on the norms and practices of political-military interventions to promote stability, stop atrocities or build peace. Being a pilot study, it will lay the foundation for a larger research effort to investigate how past experiences and current practices of intervention are changing as a result of involvement of emerging powers, and what implications this has for out theoretical understanding of interventions and peace operations. Is the Western-led export of liberal peace coming to an end, or are emerging powers already being socialized into a version of it? Are we seeing a beginning of clash of norms and diverging geopolitical interests, and if so, what theoretical tools do we need to make sense of it?
Background
Peace operations remain the largest and globally most widely accepted political instruments to manage conflict and contain violence. Recently however a number of countries with regional and global aspirations of leadership have begun to play a rapidly growing role in peace operations not only by supplying manpower and troops, but by influencing policy as well. Their changing roles are evident particularly within existing regimes like the United Nations peacekeeping but also increasingly at the regional and sub-regional level, for instance in African Union peace operations. Examples such as China’s growing deployments to UN operations in Mali and South Sudan, Brazil’s initiatives for ‘responsibility while protecting’ and India’s muscular diplomacy challenging the Western monopoly on defining Security Council mandates are indicative of this trend.
While some empirical research has focused on the changing roles and ambitions of emerging powers, the kind of consequences their increasing involvement will have on the norms and practice of peace operations remains unclear, and has barely attracted scholarly attention so far. Most studies in this field focus on individual country cases and/or missions, and lack a macro perspective on the role of emerging powers at the global level. The proposed project will address this gap by providing an analytical approach that cuts across countries and regions, investigating (1.) the roles of various emerging powers with regard to global security governance and interventions, (2.) the contradictions and conflicts within them and (3.) their collective impact on the global norms and practices of peace operations. It will also address the theoretical gap in the peace operations literature by linking key empirical trends in peace operations with two promising strands of theoretical work on norms in International Relations and on postcolonial and critical approaches to security. Concepts such as norm contestation and localization as well as critical perspectives of the role of emerging powers will be used to understand the role of local agents, domestic policies and norms in detail, along with their interaction with the international politics of the emerging powers.
Project Design and Outputs
This four-month project seeks to lay the foundation of a new research agenda by focusing research on the Global South and the agency of the emerging powers in shaping and contesting existing norms and practices of peace operations. The study seeks to make a dual contribution by (a) providing a comprehensive literature review cutting across various bodies of literature including international relations (norm contestation, localization, governance of peace operations), critical security studies (center-periphery dynamics) and postcolonial studies and (b) by developing typologies to begin theorizing the role and collective structural impact of emerging powers. The project will include an expert workshop in Berlin, a theoretically oriented publication and a research proposal for an international research consortium to investigate these questions further in a multi-year collaborative project including partners from the Global South.
Implications for Policy Making
The project is also immediately relevant for policy, as it will facilitate and broaden our understanding of the changing nature of political-military interventions, through the increasing participation of emerging powers from the Global South. The implications raise important questions about the use of force, principle of sovereignty and the impact of deploying forces with problematic domestic human rights records, to name only a few and have important implications for policy makers from the Global North and South alike.