Publikationen
Gromes, Thorsten. 2024. Ausstieg verpasst? Der Bundestag und die UN-Mission in Mali, In: PRIF Report 2/2024, Frankfurt/M.
Zusammenfassung
Militärische Interventionen mit dem erklärten Ziel, Bürgerinnen und Bürger des Ziellands vor akuter Gewalt zu schützen, haben breite politische und akademische Debatten angestoßen. Dennoch fehlt es an systematisiertem Wissen über die Wirkungen dieser sogenannten humanitären militärischen Interventionen, die auch als Einsätze unter der internationalen Schutzverantwortung oder als Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten in Friedensmissionen diskutiert werden. Die Forschung konzentriert sich bisher auf konzeptionelle, normative und ethische Fragen. Die wenigen vergleichenden Studien zu Wirkungen beschränken sich zumeist auf ein paar Fälle, bestimmte Intervenierende oder Regionen oder vermengen humanitäre militärische Interventionen mit anderen Einsätzen. Mit Förderung der Deutschen Stiftung Friedensforschung wurde am PRIF-Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung ein Datensatz zu allen humanitären militärischen Interventionen nach dem Zweiten Weltkrieg erstellt. Auf Basis dieser Daten untersucht das Projekt Wirkungen und Wirkungsweisen humanitärer militärischer Interventionen.
Es ist multi-methodisch angelegt und soll erstens ermitteln, wie sich humanitäre militärische Interventionen im Durchschnitt auf die Dauer und die Intensität, d.h. das Ausmaß tödlicher Gewalt von Konflikten auswirken. Dafür vergleicht es quantitativ die Interventionsfälle mit einer zu erstellenden, gleichartigen Gruppe von Kontrollfällen ohne humanitäre militärische Intervention. Die dadurch gewonnenen Einsichten versprechen einen wichtigen Beitrag zur breit diskutierten Frage, ob humanitäre militärische Interventionen insgesamt mehr schaden als helfen.
Das Projekt arbeitet zweitens die Bedingungen heraus, unter denen humanitäre militärische Interventionen mit einem Ende oder Rückgang der Gewalt oder mit einer Eskalation oder Verlängerung des bewaffneten Konflikts einhergehen. Hier nutzt es ein Verfahren des systematischen qualitativen Vergleichs. Die Ergebnisse können der Debatte über die Erfolgsaussichten in einzelnen Fällen wichtige Impulse geben.
Die quantitativen und qualitativen Vergleiche ermitteln, was sich während und nach einer Intervention ereignete. Ergänzende Fallstudien untersuchen im Detail den kausalen Prozess, der die beobachtete Gewaltentwicklung herbeigeführt hat. Diese Fallstudien prüfen, wie sehr sich auf die Intervention bezogene Annahmen gegenüber rivalisierenden Erklärungen behaupten können. Darin besteht das dritte Ziel.
Das Projekt verspricht, die bislang überwiegend normativ geführte Debatte zu humanitären militärischen Interventionen mit neuen empirischen Einsichten voranzubringen. Immer wieder haben kritische Stimmen das Ende humanitärer militärischer Interventionen oder der internationalen Schutzverantwortung verkündet. Prominente Fälle des Nicht-Eingreifens verstellen aber den Blick darauf, dass humanitäre militärische Interventionen empirisch relevant bleiben, auch wenn die Zahl dieser Einsätze im Laufe der Zeit variierte.
Abstract
Military interventions with the declared aim of protecting the target country’s citizens from ongoing violence have triggered broad political and academic debates. Nevertheless, there is a lack of systematic knowledge about the effects of these so-called humanitarian military interventions that are also discussed as operations under the responsibility to protect and as protection of civilians in peace missions. Hitherto, research has focused on conceptual, normative and ethical issues. The few comparative studies on effects are mostly limited to a small number of cases, specific interveners or regions, or they combine humanitarian military interventions with other missions. Supported by the German Foundation for Peace Research, a dataset on all humanitarian military interventions after World War II was compiled at the Peace Research Institute Frankfurt. Based on these data, the project examines the effects and modes of effects of humanitarian military interventions.
It uses a multi-method design and, first, estimates the average effect of humanitarian military interventions on the duration and the intensity, i.e., the extent of lethal violence inflicted in conflicts. For this purpose, it quantitatively compares the cases of violent intrastate conflict in which an intervention took place with a group of similar control cases without a humanitarian military intervention. The insights gained from this promise to make an important contribution to the widely debated question of whether – altogether – humanitarian military interventions do more harm than good.
Second, the project investigates the conditions under which humanitarian military interventions are associated with an end or decrease in violence or with an escalation or prolongation of armed conflict. Here it employs a method of systematic qualitative comparison. The results can provide important impulses to the debate on the conditions that influence such missions’ prospect of success.
The quantitative and qualitative comparisons ascertain what happened during and after an intervention. Complementary case studies examine the causal process that brings about the observed trends of violence in the target country. These case studies examine how well causal assumptions based on the intervention stand up to rival explanations. This is the third goal.
The project promises to advance the debate on humanitarian military interventions, dominated until now by normative considerations, with new empirical insights on the effects of such missions. Time and again, critical voices have proclaimed the end of humanitarian military interventions or of the responsibility to protect. Prominent cases of non-intervention, however, obscure the fact that humanitarian military interventions remain empirically relevant, even if the number of such interventions has varied over time.