Pulikationen
Lisa Bogerts, Stefan Böschen und Christoph Weller: Politik, Protest, Forschung. Wie entstand die Friedensforschung in der BRD? In: Wissenschaft und Frieden 1/2016,S. 12-15.
Zusammenfassung
Die Entstehung, Geschichte und Entwicklung der Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik Deutschland ist in jüngster Zeit vielfach selbst Thema der Friedens- und Konfliktforschung. Diese Thematisierungen lassen sich als Selbstverständigungsdebatten vor dem Hintergrund einer wachsenden Professionalisierung dieses Forschungsfeldes interpretieren. In diesem Kontext haben die historischen Bezüge vor allem Funktionen für aktuelle Ausrichtungen und Abgrenzungen zu erfüllen. Solche Beobachtungen werfen u.a. die Frage auf, ob sich die Friedens- und Konfliktforschung aktuell (seit ca. 5 – 10 Jahren) in einem ähnlichen Transformationsprozess befindet, wie er für die Entstehungsphase Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre identifiziert wurde.
Um die wissenschaftshistorische Beschreibung und Rekonstruktion der Entstehung und Entwicklung des Forschungsfeldes in der Bundesrepublik Deutschland nicht den Selbstverständigungsdebatten der Forscherinnen und Forscher selbst zu überlassen, sollen mit der von der Deutschen Stiftung Friedensforschung finanzierten Pilotstudie Ansatzpunkte und Voraussetzungen einer systematischen wissenschaftssoziologischen und wissenschaftshistorischen Analyse der Entstehung und Entwicklung der Friedens- und Konfliktforschung erarbeitet werden.
Die Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik Deutschland speist sich in ihrer Entstehungsphase aus verschiedenen wissenschaftlichen Quellen und war zugleich unterschiedlichen politischen Orientierungen im Kontext des Ost-West-Konflikts unterworfen. Diese Bedingungen kennzeichnen sie – aus einer wissenschaftssoziologischen Perspektive – als einen besonders aufschlussreichen Fall für die Formierung von heterogenen wie politisierten Forschungs- und Wissensfeldern. Wie viel Einheit kann in der Vielfalt der Perspektiven hergestellt und ermöglicht werden? Wie verschränkten sich wissenskulturelle, institutionelle und politische Einflussfaktoren bei der Formierung der Friedens- und Konfliktforschung als problemorientierter Forschung?
Im Rahmen der Pilotstudie soll vor allem die Formierung der Friedens- und Konfliktforschung bis zum Abschluss der ersten Institutionalisierungsphase Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre in den Blick genommen werden. Es stellt sich die Frage, wie sich die Friedens- und Konfliktforschung als Forschungs- und Wissensfeld entwickelt und welche wissenschaftliche und disziplinäre Ausrichtung sie dabei genommen hat. Dabei interessieren nicht allein die internen Entwicklungsdynamiken, sondern ebenso die Veränderungen und Wandlungsprozesse der Friedens- und Konfliktforschung im Zuge exogener politischer, kultureller, institutioneller, internationaler, ökonomischer und wissenschaftlicher Einflüsse und gewandelter Rahmenbedingungen.
Dazu soll im Rahmen der Pilotstudie konkret a) eine Kartierung der frühen Akteursnetzwerke und ihrer zentralen Fragen als „Themenlandkarte“ vorgenommen sowie b) die empirische Basis in Form einer Identifizierung von möglichen Quellenbeständen in Archiven und durch Interviews mit Gründergestalten gesichert und c) ein konzeptionelles Design für ein darüber hinausgehendes Projekt entwickelt werden. Damit lässt sich sowohl eine wissenschaftliche Grundlage für die historische Erforschung der Geschichte der Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik Deutschland schaffen als auch ein erster wissenschaftssoziologischer Beitrag zu den aktuellen Selbstverständigungsdebatten über die weitere Entwicklung der deutschen Friedens- und Konfliktforschung leisten.
Abstract
In Germany, current debate in Peace and Conflict Studies has repeatedly dealt with the origin, history, and development of the discipline itself. These thematisations can be interpreted as debates on self-understanding in the light of the increasing professionalisation of this research area. In this context, historical references mainly serve to define current orientations and boundaries. Such observations raise the question as to whether the field is currently undergoing a transformation similar to the one identified in the late 1960s and early 1970s.
The scientific–historical description and reconstruction of the formation and development of peace and conflict studies has often led to internal debates on self-understanding. The pilot study, which is funded by the German Foundation for Peace Research, therefore aims at establishing a starting point for a systematic scientific–historical and scientific–sociological analysis of the formation and development of this research area.
In Germany, the field of Peace and Conflict Studies initially drew from various scientific sources and was simultaneously subject to diverse political orientations against the background of the East–West conflict. From a scientific–sociological perspective, these circumstances are a particularly insightful case of the formation of heterogeneous and politicised disciplines. How much unity can be created and enabled within the various perspectives? How were cultural, institutional, and political factors intertwined when peace and conflict studies were established as a problem-oriented research area?
The pilot study focuses the period between the establishment of Peace and Conflict Studies in Germany and the end of the first phase of institutionalisation in the late 1970s and early 1980s and aims at determining how this field has evolved and which direction it has moved in. However, it is not only the internally developing dynamics that are of interest but also the changes and transformation of Peace and Conflict Studies within the context of exogenous political, cultural, institutional, international, and economic influences as well as altered framework conditions.
The pilot study entails a) mapping the network of actors and their respective key questions, b) ensuring the empirical basis by identifying possible source materials in archives and interviewing founding figures, and c) developing a conceptual design for a continuing project. The study will thereby provide a basis for the historical investigation of Peace and Conflict Studies in Germany as well as a scientific–sociological contribution to current debates on the further development of Peace and Conflict Studies.