Publikationen
Simonis, Georg; Fiebich, Carina (2007): Europäisches Konfliktmanagement durch internationale Governancestrukturen. Der Menschenrechtsschutz im Rahmen des Europarates am Beispiel der Türkei. In: Simonis, Georg (Hg.): Analyse von Außenpolitik. FernUniversität in Hagen, 2007, 289–341
Zusammenfassung
Im Rahmen dieses Projektes soll der Frage nachgegangen werden, wie europäische Staaten über internationale Governance-Strukturen ihren Selbstanspruch eines möglichst konstruktiven Umgangs mit und gewaltfreien Austrags von Konflikten in den internationalen Beziehungen verwirklichen. Diese Frage umfasst dabei im Prinzip zwei Aspekte, von denen der Erste schwerpunktmäßig bearbeitet wird: Das Wie im Sinne der ‚Mechanik’ äußerer Einflussnahme auf innergesellschaftliche Entwicklungen in den Zielstaaten und das Wieweit, d.h. in welchem Ausmaß diese Politik erfolgreich ist.
Konkret untersucht werden soll die Einwirkung des menschenrechtlichen Förder- und Kontrollinstrumentariums des Europarates auf die Entwicklung hin zu demokratischer Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Analytisch lässt sich dies als der Versuch des konstruktiven Umgangs mit transnationalen Werte- und Herrschaftskonflikten interpretieren. Im Falle der Türkei ist dies der Konflikt zwischen einer transnationalen Koalition von Befürwortern eines menschenrechtlichen Wandels im Sinne des Europarates einerseits und den Gegnern einer solchen Entwicklung im Lande andererseits. Die Befürworter stellen eine transnationale Koalition dar, weil von einem Zusammenwirken staatlicher und nicht-staatlicher Kräfte außerhalb der Türkei mit staatlichen und nicht-staatlichen Reformbefürwortern in der Türkei auszugehen ist. Dieser Konflikt ist im Wesentlichen ein Konflikt um Werte, da es um das menschenrechtliche Grundverständnis geht. Dies soll aber nicht im Sinne eines Kulturen verdinglichenden „Clash of Civilizations“ interpretiert werden. Erkennbar ist nämlich auch eine Interessenskonflikt-Komponente, insofern die Reformgegner zu Recht erkennen, dass ein Reformerfolg ihre Chancen auf Herrschaft mindern würde. Konstruktiv ist der Umgang mit diesem Konflikt dann, wenn – und soweit wie – die Übernahme und Einhaltung menschenrechtlicher Standards letztlich bis in weite Kreise der Reformgegner nicht als äußere Auferlegung (Oktroi) gesehen und als Entfremdung empfunden wird. Im Erfolgsfall müsste vielmehr erreicht werden, dass die türkische Gesellschaft sich diese Standards zu eigen macht.
In Weiterentwicklung vorliegender Studien zur Institutionalisierung internationaler Konfliktbearbeitung (im Rahmen internationaler Regime) und anknüpfend an die jüngste konstruktivistische Wende im Bereich der Forschung über Internationale Beziehungen wird die Rolle des Europarates im Dialog mit der Türkei hinsichtlich ihrer ‚Mechanik’ untersucht. Dabei geht es sowohl um Argumentationsmacht bei der Aushandlung einer gemeinsamen Situationsdefinition und ihr entsprechender normativer Vorgaben als auch um die Überprüfung ihrer Einhaltung. Das solche Dialog-Verfahren immer auch Einflussnahme von außen bedeuten wird explizit mit thematisiert.
Die friedenspolitische Relevanz des Projektes ergibt sich aus zweierlei: der Bedeutung der Erforschung von Verfahren des Umgangs mit inter- bzw. transnationalen Wertekonflikten zum einen; zum anderen erlaubt es die Interpretation als Herrschaftskonflikt, die Schwierigkeit der inter- bzw. transnationalen Regulierbarkeit solcher Konflikte gebührend zu berücksichtigen. Die Kombination beider Konflikt-Typen ist wegen ihrer potenziellen innerstaatlichen oder gar grenzüberschreitenden Gewaltträchtigkeit von besonderer friedenspolitischer Relevanz; dies gilt auch für die Frage, mittels welcher dialog-basierter Verfahren zumindest die Wertekonflikt-Seite gewaltfreier Bearbeitung zugänglich gemacht werden kann.
Methodisch versucht die Studie die durchaus schwierig erfassbaren ‚weichen’ Wirkungen von Dialog-Prozessen ebenso wie die Auswirkungen auf innere Machtkonstellationen durch Auswertung zugänglicher Primärquellen, internationaler Berichterstattungen und Sekundärliteratur zu erfassen.
Die Bearbeitungszeit beträgt acht Monate.
Abstract
The project will pursue the question how European states can meet their self-stated goal of constructive and peaceful conflict management through international governance structures. This question has two aspects, the former of which will mainly be tackled with: How such external influence on intra-societal development works, the ‘mechanics’, and to what extent it is successful.
The concrete object of study is: What impact does the Council of Europe’s policy concerning the fostering and supervision of implementation of human rights standards in Turkey have on the democratization of that country?
Analytically, this is seen as the attempt to constructively manage transnational conflicts of value as well as of interest in political rule and domination. In the case of Turkey, these concflicts exist between a transnational coalition favoring change towards human rights implementation and opponents of such a development within the country. Change promoters are a transnational coalition of state and non-state actors outside Turkey allied to change promotors within the country. This is basically a conflict of values centering around diverging understandings of human rights. However, this is not to be contrued essentialistically as a “clash of civilizations”. Rather, the second underlying conflict component is a conflict of interest about political rule and domination. Reform opponents correctly perceive that their political interests would be affected by successful reform. Conflict management could be considered constructive if and to the extent that broad circles in Turkish society do not regard human rights policy as external imposition of alien standards but can make this project their own.
Theoretically, the project builds on existing studies on the institutionalization of international conflict management (international regimes) and is tied to the recent ‘constructivist turn’ in international relations research. In looking at the ‘mechanics’ of the dialogue between the Council of Europe and Turkey the power of arguments in setting and implementing human rights standards will be looked at. However, the fact that such dialogue procedures do in fact constitute attempted external influence will be given due consideration.
The relevance of the project from a peace research point of view is twofould: to learn about possibilities to constructively engage in inter- and transnational value conflicts; and to take note of the particular difficulty of dealing with the intricately linked conflict of political rule and domination. The combination of both types of conflicts is not infrequent and gives cases a proneness to intra- and transnationally violent conflict behaviour. Hence the interest of peace research in how to deal with at least the value side of such conflicts peacefully.
In terms of method, the project will procede on the basis of accessible primary documents, international reporting and secondary analyses published in order to demonstrate both the ‘soft’ impact of dialogue procedures and the effects on internal power relations, in full awareness of the methodical difficulties involved. The project duration is eight months.