Neue Technologien als Problem und Hilfe in der Verifikation
Projektleiter: Dr. Niklas Schörnig, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Projekttyp: Tagungsförderung
Fördersumme: 17 Tsd. Euro
Veranstaltung: Frankfurt am Main, 21. bis 22. September 2018
Neue Technologien als Problem und Hilfe in der Verifikation
Projektleiter: Dr. Niklas Schörnig, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Projekttyp: Tagungsförderung
Fördersumme: 17 Tsd. Euro
Veranstaltung: Frankfurt am Main, 21. bis 22. September 2018
Tagungsprogramm
Das Programm der Tagung in Frankfurt ist hier hinterlegt.
Zusammenfassung
Am 21. und 22. September 2018 fand am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt die von der DSF maßgeblich unterstützte internationale Konferenz „Verification in Crisis – the Crisis of Verification. New Technology as a Hurdle to and an Enabler of Verification in Arms Control” statt. Ursprünglich als internationaler Workshop geplant, wurde die Konferenz aufgrund der regen Nachfrage aus Wissenschaft und Praxis zur Jahreskonferenz der HSFK umgewidmet und geöffnet, so dass sich an den zwei Konferenztagen fast 100 TeilnehmerInnen an den Diskussionen beteiligen konnten.
Vor dem Hintergrund der sich rapide verschlechterten Lage bilateraler und multilateraler Rüstungskontrolle stand im Rahmen der Konferenz die Frage nach den möglichen Gefahren und dem potenziellen Nutzen neuer technologischer Entwicklungen für bestehende oder zukünftige Rüstungskontrollregime im Mittelpunkt. Verschärfen neue Technologien die Krise über die schon bestehenden politischen Differenzen hinaus, oder können neue Technologien helfen, bestehende Widerstände zu überwinden? Obwohl der Begriff „neuer Technologien“ bewusst breit genutzt wurde und darunter zum Beispiel auch Drohnen, additive Fertigung oder neue Sensorik verstanden wurden, galt den Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens ein besonderes Augenmerk.
Ganz bewusst hatte man Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Rüstungskontrolle eingeladen und deckte damit ein sehr breites Spektrum von den klassischen konventionellen Systemen über Massenvernichtungswaffen bis zu den militärisch relevanten „emerging technologies“ ab, um so einen Austausch über gemeinsame Probleme und Lösungsansätze zu ermöglichen und voranzubringen.
Einigkeit herrschte, dass bereits erprobte und etablierte neue Technologien in einigen Regimen hilfreich eingesetzt werden, oder bei entsprechendem politischen Willen genutzt werden könnten. Besonders im Bereich der Regime zur Kontrolle von Massenvernichtungswaffen kommen zum Beispiel bereits kleinere Drohnen zur gefährdungsfreien Verifikation zum Einsatz. Immer wieder wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, die Auswertung von Bildmaterial durch auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Prozessen zu optimieren oder die deutlich gestiegene Leistungsfähigkeit moderner Sensorik im Rahmen von Überprüfungsprozessen nutzbar zu machen. Gerade die Kombination neuer, leistungsfähiger Sensoren und auf die gewonnenen Daten angewendeten KI könnte eine bedeutende Verbesserung der Verifikation erlauben. Auch gewinnen Computersimulationen zur Vorhersage des Verhaltens von Kampfstoffen über Zeit an Bedeutung. Als besonders hilfreich wurden neue Technologien eingeschätzt, wenn diese bestehende Verifikationsmechanismen absichern und unterstützen, statt diese zu ersetzen. Durch zusätzliche Elemente Verifikationsergebnisse abzusichern und so größeres Vertrauen herzustellen, erschien vielen ExpertInnen ein sinnvoller Ansatz.
Nicht selten scheitert der Einsatz neuer Technologien aber zum Beispiel an den strengen Vorgaben der Regime: So ist der Einsatz digitaler Sensoren statt klassischer Filme im Rahmen des Regimes über den offenen Himmel erlaubt, die zulässige Auflösung fällt aber deutlich hinter kommerziell verfügbare Produkte zurück. Neue Technologien stehen damit vor dem klassischen Problem der Rüstungskontrolle, dem Spagat zwischen dem Ziel der Transparenz und dem Wunsch, möglichst unaufdringlich zu sein, um die Gefahr der Spionage zu minimieren.
Auch wenn einige ExpertInnen auf den möglichen Nutzen weniger etablierter Technologien, zum Beispiel Blockchain, verwiesen, war die Reaktion bei noch nicht vollständig ausgereiften Technologien insgesamt verhaltener. Über die Panels hinweg kristallisierte sich der Eindruck heraus, dass im Rahmen der Rüstungskontrolle der Einsatz neuer Technologien insgesamt eher konservativ betrachtet wird und die Technik erst einen nachgewiesenen Reifegrad erreicht haben muss, um ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden.
Gleichzeitig waren sich die meisten ExpertInnen aber auch einig, dass einige aktuelle technische Entwicklungen einen disruptiven Charakter haben können und die Rüstungskontrolle vor erhebliche Probleme stellen wird. Miniaturisierung und Beschleunigung der Prozesse wurden verschiedentlich als Herausforderungen genannt, wobei Prozessbeschleunigung, zum Beispiel durch Vernetzung, einen schnelleren Datenaustausch und die beschleunigte Datenauswertung, dem zentralen Ziel der Rüstungskontrolle, in einer Krise die Prozesse zu entschleunigen, entgegenstehen. Als ein weiteres Problem wurde identifiziert, dass es in der Zukunft immer weniger um die Kontrolle von Beständen verbotener Waffen gehen könnte, als um die Kontrolle der Fähigkeit, diese in kurzer Zeit herzustellen – auch durch technologisch weniger erfahrene Akteure. Schließlich wurde immer wieder auf die Problematik verwiesen, dass ein Softwarecode, der zum Beispiel zur Leistungssteigerung militärischer Systeme eingesetzt wird, nicht, oder zumindest sehr schwer zu verifizieren sei. Zwar ist es prinzipiell möglich Software zu inspizieren, aber nicht ohne ein für den inspizierten Staat inakzeptables Maß detaillierten Wissens zu erlangen. Hier wurde durch die Bank weiterer Forschungsbedarf konstatiert.
Einige der eingeladenen ExpertInnen verwiesen sowohl bei der Einschätzung der Probleme, als auch der Gefahren neuer Technologien auf die Problematik, dass in ihrem Bereich die Expertise um aktuelle technologische Entwicklungen – und hier speziell die Entwicklungen im Bereich maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz – noch nicht ausreichend vorhanden sei, um eine fundierte Beurteilung vornehmen zu können. Es gelte deshalb, nicht nur den Diskurs innerhalb der Rüstungskontrollgemeinschaft zu fördern, sondern gerade auch die Diskussion zwischen RüstungskontrollerInnen und IT-ExpertInnen zu vertiefen. In diesem Zusammenhang wurde die Frage, ob auch einer verstärkte die Zusammenarbeit mit der (IT-)Industrie anzustreben sei, intensiv und durchaus auch kontrovers diskutiert. Während eine Gruppe argumentierte, angesichts der ausgesprochen dynamischen technologischen Entwicklungen gerade im zivilen Bereich, sei eine Kooperation unumgänglich, warnte eine zweite, die Interessen der Industrie seinen nicht zwangsläufig mit denen der Rüstungskontrollgemeinde kompatibel.
Zusammenfassend zeigte die Konferenz sehr gut auf, dass neue Technologien durchaus das Potenzial besitzen, Rüstungskontrolle effektiver und genauer zu gestalten, gleichzeitig aber auch die Gefahr der Erosion von Rüstungskontrollmaßnahmen durch neue Technologien besteht. Gerade bei neuen Technologien die ein hohes Maß an Fachwissen voraussetzen, wie zum Beispiel künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens wird es besonders darauf ankommen, innerhalb der Rüstungskontrollgemeinde eine ausreichende fachliche Expertise aufzubauen, um die Einflüsse dieser hochgradig dynamischen Entwicklungen auf Rüstung und Rüstungskontrolle noch besser abschätzen zu können.
Es ist schließlich geplant, die Ergebnisse der Tagung in einem englischsprachigen Sammelband zu veröffentlichen.